Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
sind Waffen, mit denen man sich verteidigen kann.«
Das Mädchen gab ein Brummen von sich, das ich als Zeichen auffasste, dass sie mich verstanden hatte. Ich schaute auf ihren Busen. Ich konnte nicht anders, ihre Brüste waren so dicht vor mir. Ihre Nippel waren runzlig, die Aureolen so groß wie alte Dollarmünzen.
» Warum hat er nicht einfach eine Pistole?«
Als ich antworten wollte, sah ich, dass sie grinste. Ich lachte, und sie stimmte in mein Gelächter ein. Wir standen voreinander und schauten uns an, und erst nach einem Moment wurde mir klar, dass sie nicht mich ansah, sondern über meine Schulter blickte. Ich drehte mich um. Sie beobachtete den Bambus-Ausbruch.
Plötzlich sah sie fast wie ein Stadtmädchen aus.
» Das ist aber schön«, sagte sie.
» Ja, das kann man wohl sagen.«
Mir ging auf, dass diese Menschen moderne Jäger und Sammler waren. Vor ein paar Jahren hatte ich einen alten Dokumentarfilm über einen afrikanischen Stamm von Jägern und Sammlern gesehen. Diese Leute hier ähnelten ihnen so sehr– sie liebten die Natur, sie schienen keinen Anführer zu haben, sie zogen von Ort zu Ort und lebten anscheinend nur von dem, was sie unterwegs fanden. Ich fragte mich, ob sie schon seit der Zeit, als ich noch mit meiner Sippe herumgezogen war, in der Wildnis lebten. Das wären neun Jahre, eine lange Zeit für dieses Nomadenleben.
» Hey, Jasper!« Cortez kam auf uns zugerannt. Er winkte dem Mädchen kurz zu, dann zog er mich auf die Seite.
» Weißt du noch, wie ich dir gestern erzählt habe, dass ich kein Ziel hätte und nicht wüsste, in welche Richtung mein Leben gehen soll?« Er wartete meine Antwort gar nicht ab, so aufgeregt war er. Mit Hochgeschwindigkeit redete er weiter: » Jetzt weiß ich’s. Ich habe dieses Buch hier in deinem Regal gefunden…« Er kramte in seinem Rucksack und zog ein Taschenbuch hervor. Es war Das Licht des weisen Kriegers, das ich nach Mr. Swifts Hinrichtung aus dem aufgegebenen Buchladen gerettet hatte. Ich selbst war nie über das erste Kapitel hinausgekommen. Cortez schwenkte das Buch. » Dieses Buch hat mir den Weg gezeigt.« Er blätterte darin, schlug eine Seite auf, die er durch ein Eselsohr gekennzeichnet hatte, und las vor:
» Der erleuchtete, weise Krieger begibt sich still in seinem Herzen auf die Suche. Diese ständige Suche erhält seine Lebenskraft, sie nährt sein Gemüt und seinen Geist, sie sorgt dafür, dass er im Lichtschein seiner Seele bereit und wachsam bleibt. Sein Suchen ist selbstlos, denn der weise Krieger erkennt, dass die Grenze zwischen dem Selbst und der Außenwelt eine Illusion ist, dass es ein und dasselbe ist, ob er das Leiden in der Welt lindert oder das Leiden in seinem eigenen Herzen.«
Überrascht bemerkte ich, dass Cortez Tränen in den Augen hatte, als er aus dem Buch aufschaute. » Es ist, als hätte ich diese Worte schon immer in mir getragen, als hätten sie nur darauf gewartet, herauszukommen. Ein weiser Krieger– ja, das bin ich.«
» Hm.« Ich nickte, als würde ich über seine Worte nachdenken. Es war schön, ihn so optimistisch zu erleben, und das einen Tag, nachdem sein Zuhause dem Bambus zum Opfer gefallen war.
Cortez kramte erneut in seinem Rucksack und zog einen alten Batman-Comic hervor. » Gestern hab ich das hier noch mal gelesen. Ich habe Batman schon immer bewundert. Wenn der Dunkle Ritter in unserer Zeit aktiv wäre, dann hätte er wirklich alle Hände voll zu tun, habe ich mir gedacht– und da fügte sich plötzlich alles zusammen. Ich habe viele Jahre lang Kampfkünste trainiert, habe mich im Umgang mit Waffen geschult… und das alles hat mich zu diesem Punkt geführt.«
» Zu welchem?«, fragte ich nach.
Cortez hob den Zeigefinger. » Ich werde mit allen Kräften anderen helfen. Vielleicht kann ich den Jumpy-Jumps und den Zivilschutz-Gangstern nicht ganz und gar das Handwerk legen, aber einige Verbrechen kann ich wenigstens verhindern. Ein bisschen kann ich zumindest tun.« Er packte mich an der Schulter und sagte mir fast ins Ohr: » Und ich weiß auch schon genau, wo ich anfange. Ich habe rausgekriegt, wer für diesen Bambus-Ausbruch verantwortlich ist.«
» Tatsächlich? Wer denn?«
Cortez deutete mit dem Daumen in Richtung River Street. » In einem verlassenen Haus am Martin-Luther-King-Boulevard handelt jemand mit Drogen und geklautem Zeugs. Ich habe rausgekriegt, dass er auch mit Bambus zu tun hat. Hab mir schon alles angesehen. Ist nur eine kleine Firma. Aber den werde ich mir
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