Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
ohne herum. Vermutlich sah sie gut aus, aber das konnte man nur erahnen, weil sie so schmutzig war. Die Leute taten mir leid, denn ich war auch mal in ihrer Lage gewesen. Bloß dass ich damals wenigstens noch Kleidung und Schuhe besessen hatte.
Sie hackten die unteren Äste von den Lebenseichen ab und lehnten sie gegen das Denkmal mitten auf dem Platz, um sich notdürftige Unterkünfte zu bauen.
» Das macht mich echt fertig«, bemerkte Cortez. » Mir wird richtig schlecht, wenn ich sehe, wie dieser schöne Platz verschandelt wird.«
» Jemand sollte die Polizei holen«, sagte Slinky, schon wieder kichernd.
» Damit die Polizei kommt, müssten sie schon kleinen Babys Arme und Beine abhacken«, sagte Dice. Er warf einen Blick zu Cortez hinüber, weil er sich von ihm Anerkennung für diese geistreiche Bemerkung erhoffte.
Eine alte Dame, kaum mehr als ein Gerippe, riss Spanisches Moos von den Ästen, um Feuer unter den Kochtöpfen zu machen. Es war ärgerlich, die Bäume derartig missbraucht zu sehen. Die Lebenseichen waren das einzige Schöne, was uns noch geblieben war, und das Moos, das von ihren Ästen herabhing, war für das Straßenbild Savannahs typisch gewesen. Ich mochte es so gern, denn die Bäume sahen damit aus, als würden sie schmelzen.
» Ich rede mal mit ihnen«, sagte Cortez. Er zog seine kurzen Eskrima-Kampfstöcke aus den Strümpfen und steckte sie sich vorne in den Hosenbund, vermutlich, damit sie gut zu sehen waren. Wenn die Leute exotische Waffen sahen, stutzten sie normalerweise. Den meisten war wahrscheinlich klar, dass man sich von einem Mann mit Eskrima-Stöcken am besten fernhielt, es sei denn, man hatte eine Schusswaffe bei sich. Wenn jemand Eskrima-Sticks besaß, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass er damit auch umgehen konnte. Und Cortez verstand es, sie zu handhaben.
Dice betrachtete die Stöcke. » Rechnest du mit Mord und Totschlag?«
» Ich will bloß mit ihnen reden. Ich kann diese Verschandelung nicht zulassen.«
Wir überquerten die Straße und spazierten auf dem gepflasterten Fußweg mitten über den Platz. Als wir auf der anderen Seite ankamen, drehte Cortez um. Vermutlich erwartete er, dass jemand uns auffordern würde zu verschwinden, aber alle gingen einfach weiter ihren verschiedenen Tätigkeiten nach. Schließlich marschierte Cortez auf den größten und stärksten Mann zu.
» Hallo.« Mit einem Lächeln nickte der Mann Cortez zu.
» Wo kommt ihr her?«, fragte Cortez, die Hände in die Hüften gestemmt. Ich blieb mit Dice und Slinky hinter ihm stehen.
» Aus den Bambuswäldern im Westen.« Der Mann machte eine vage Handbewegung. Er hatte einen merkwürdigen Akzent, und sein Bart war so zottig, dass man seinen Mund kaum sehen konnte. Seine Haut sah aus wie Leder, weil sie zu viel Sonne abbekommen hatte.
» Aus der aufgegebenen Zone zwischen Rincon und Pooler?«, fragte Cortez.
» Mit Städten kenne ich mich nicht aus. Im Westen. Gutes Jagdgebiet.«
» Gutes Jagdgebiet? Was jagt man denn so im Bambus?«, fragte Dice. Slinky lachte.
Wie aufs Stichwort ertönte hinter uns im Gras ein Quieken. Ein Eichhörnchen wand sich auf dem Boden. In seiner Seite steckte ein kleiner Holzpfeil. Das barbusige Mädchen rannte zu dem Tierchen hin, hockte sich daneben und zerschlug ihm mit einem halben Ziegelstein den Schädel. Sie hob es am Schwanz auf und brachte es zu einem der dampfenden Töpfe.
» Das ist ja ekelhaft«, sagte Slinky und zog eine Grimasse.
Der Mann zuckte bloß die Achseln. » Was ist das?«, fragte er dann, indem er auf Cortez’ Eskrima-Stäbe deutete.
» Das sind Waffen.« Cortez zog sie heraus und ging in Karate-Haltung. Er begann eine Vorführung, seine wirbelnden Stöcke beherrschten die Luft, sausten manchmal sehr nah an den Landstreichern vorbei. Der Bärtige zuckte zusammen, lächelte aber weiter. Als Cortez fertig war, nickte der Mann unbestimmt.
Ich glaube, Cortez hatte mit einem Kreis von Zuschauern gerechnet, mit Erschrecken und ein bisschen Respekt vor seinen Künsten. Vermutlich kam er sich jetzt etwas blöd vor, denn niemand hatte ihn beachtet.
» Könnt ihr diese Äste vielleicht ein bisschen verschonen?«, sagte er, immer noch schwer atmend, zu demFremden und wischte sich den Schweiß aus den Augen.
Der Landstreicher blinzelte und schüttelte verständnislos den Kopf.
» Die Äste von den Bäumen, könnt ihr die bitte nicht abhacken?«
» Das bringt die Bäume nicht um«, erklärte der Mann.
» Nein, aber es sieht nicht schön aus,
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