Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
vorknöpfen.«
» Da wäre ich gern dabei.« Ich lachte.
Cortez machte große Augen. » Hey! Dann komm doch mit!«
» Nee, nee, ich wäre kein guter Robin. Ich habe keine speziellen Fähigkeiten zur Verbrechensbekämpfung.« Ich verschwieg, dass ich außerdem ein Feigling war. Vor der Depression, als Schlachten noch mit Worten und Rechtsanwälten ausgetragen wurden, hätte ich viel effektiver gekämpft. Doch der Gebrauch von Fäusten und Schusswaffen war nicht meine Sache.
Cortez legte mir den Arm um die Schultern. » Nein, ich mache das schon– aber es wäre einfach schön, jemanden dabeizuhaben. Du brauchst bloß zuzugucken.«
Ich hatte den Eindruck, dass Cortez in erster Linie einen Zeugen suchte. Was hat man davon, Vergeltung zu üben, wenn niemand es sieht? » Was genau hast du denn vor?«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. » Ich will niemanden verletzen. Nur die Drogen und den Bambus beschlagnahmen und zertreten und ihnen dann sagen, dass ihr Laden ab sofort geschlossen ist.«
Ich hätte gerne abgelehnt, aber Cortez zog die Augenbrauen hoch und schaute mich mit flehendem, erwartungsvollem Blick an. Es schien ihm wirklich wichtig zu sein, dass ich mitkam. Und vermutlich ging ich dabei kein großes Risiko ein. Ich hatte ja gesehen, wie er zwei mit Messern bewaffnete Ganoven fertiggemacht hatte, die auf ihn losgehen wollten, und das war schon Jahre her– seitdem war er noch besser geworden, und diesmal war er sogar selbst bewaffnet.
» Klar. Warum nicht?«
Cortez strahlte. » Ich hol dich heute Abend ab, so um zehn.«
Cortez war ganz in Schwarz. In einer Scheide an der Wade hatte er ein großes Messer stecken, und seine Eskrima-Stöcke hingen in einer Tasche an seinem Gürtel.
Jetzt, nach Sonnenuntergang, war auf dem Martin-Luther-King-Boulevard viel los. Eine Asiatin in einem ausgeblichenen grünen Filzrock wartete offensichtlich auf Freier, während ihre Kinder zu ihren Füßen saßen und mit Flaschendeckeln spielten. Ein Arm der Frau bestand nur noch aus Knochen und Narbengewebe– sie hatte mit dem fleischfressenden Virus Bekanntschaft gemacht, hatte aber überlebt, die Glückliche. Cortez’ Mutter dagegen hatte nicht so viel Glück gehabt, ihr war es genauso ergangen wie etwa hunderttausend anderen.
Vor einem mit Brettern vernagelten Lucky 7 Mini-Casino stand ein Grüppchen Uniformierter und kontrollierte die Ausweise, wahrscheinlich einzig und allein, weil sie ihre Autorität spielen lassen wollten.
Ein alter Sightseeing-Bus, der nur noch aus Rädern und Fahrgestell bestand, rumpelte vorbei. » Da drüben hat jemand ganz besonders übel mit einem Stilett gewütet«, sprach ein rothaariger Typ in einer alten Navy-Jacke gerade ins Busmikrofon. » Sieben- oder achtmal hat er seinem Opfer ins Gesicht gestochen, bis die Klinge dann in einer Augenhöhle stecken geblieben ist und er sie nicht mehr rausziehen konnte.«
» Was ist denn daran so schlimm?«, rief ein Mann von den hinteren Sitzen, der eine Flasche Selbstgebrannten in der Faust hielt. Wir beobachteten, wie die Mord-Rundfahrt vorüberrollte.
» Hast du dieses Buch, das ich mir ausgeliehen habe, Das Licht des weisen Kriegers, jemals gelesen?«, fragte Cortez.
» Nein, bin nicht dazu gekommen. Wenn ich Zeit habe, lese ich Bücher über Heilkräuter.«
» Und wie läuft deine kleine Apotheke?«
» Ganz gut. Ich habe ungefähr zwei Dutzend verschiedene Kräuter auf Lager. Manchmal mache ich Tagesausflüge aufs Land und fülle meine Vorräte auf.«
» Toll.«
» Ja, diese Exkursionen genieße ich richtig. Es ist so friedlich im Bambus, und das Kräutersuchen macht Spaß, das ist wie eine Schnitzeljagd oder so. Seit ich die Heilkräuter verkaufe, kommen Leute in den Mini-Markt und fragen mich, was sie nehmen sollen, gegen Zahnschmerzen oder um schneller schwanger zu werden und so.«
Zwei Männer torkelten vorbei. » Guck mal, der Mond. Wie er im Dunkeln glüht!«, rief der eine und zeigte in die Luft. Der andere gackerte los. Offensichtlich hatten die beiden was genommen, wahrscheinlich Peyote.
» Machst du damit einen guten Schnitt?«, fragte Cortez.
» Kaum. Die Kunden können sich nicht viel leisten, deswegen muss alles billig sein, sonst kann ich nichts verkaufen. Außerdem gehört der Laden ja Ruplu, er kriegt also immer seinen Anteil.«
Wir blieben hinter einem verbeulten Prius stehen, vor einem Haus, von dem eigentlich nur noch das Dach und eine Tür vorhanden waren. Überall lagen geschwärzte Ziegel und von Hitze
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