Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
Vom Netzwerk:
wehte der Geruch vom Fluss herüber. Wenn die Windrichtung stimmte, konnte man selbst in zehn Blocks Entfernung neben dem typischen Pissegeruch der Stadt den Gestank nach toten Wassertieren und Ammoniak riechen.
    In einem unbemerkten Moment zog ich die Stahlklappe vor der Kellerluke eines ausgebrannten Ladens hoch. Ich bückte mich, stieg die steile Treppe hinunter, durchquerte einen Kellerraum, schob eine weitere Klappe auf und tauchte in meinem heimlichen Refugium wieder auf. Es war ein kleiner, gefliester Hof, der den größten Teil des Tages im Schatten der vierstöckigen Gebäude ringsherum lag. Vor vielen Jahren hatte er einmal zu einer Kneipe gehört. Ich kippte eine Matratze um, die an einer Mauer lehnte, breitete meine Bücher aus und ließ mich zum Lesen nieder.
    Vor allem studierte ich das Buch über die Heilkräuter. Einige von ihnen wuchsen wild. Ich malte mir Streifzüge außerhalb der Stadt aus, Kräutersuche in den ausgedehnten Bambusdschungeln. Ich würde lernen müssen, wie man die Pflanzen aufbereitete, denn ich wusste rein gar nichts über Kräuter, ob man sie trocknete oder was man mit ihnen anstellte.
    Mein Handy klingelte. Ich schaute auf die Nummer. Rief Maya zurück? Nein, es war Ange.
    » Hey«, sagte ich.
    » Hey, Schätzchen! Wie geht’s dir denn? Ich habe gerade gedacht, dass ich dich überhaupt nicht mehr sehe. Du fehlst mir!«
    Ihre Worte waren Balsam für meine Seele. Am liebsten hätte ich sie immer wieder gehört. » Du fehlst mir auch«, sagte ich.
    » Bist du gerade mit irgendwas beschäftigt? Wollen wir was zusammen machen?«
    Oh ja, das wollte ich gern. Ich fragte Ange, wo wir uns treffen sollten.

6
    Heldentaten
    Herbst 2032
    (ZweiJahresp ƒ ter)
    Immer langsam, Slinky, keiner will dir an den Kragen«, rief Cortez, als Slinkys knochiger Arsch um die Ecke des Ziegelbaus verschwand. Unter Cortez’ Freunden von der Straße fühlte ich mich immer fehl am Platz. Nicht, dass sie üble Typen gewesen wären, aber sie waren einfach ganz anders.
    Obwohl sich in Dices neuem Schnurrbart, den er immerzu leckte, schon ein Grauschimmer zeigte, benahm der Mann sich, als sei er immer noch zwanzig. Er ging mit abgespreizten Armen auf den Fußballen, wie ein Gangster. Slinky hatte langes, fettiges Haar und trug immer eine ausgeblichene Baseballkappe. Cortez kriegte es irgendwie mühelos hin, meine Welt und die dieser schmuddeligen Streetballer miteinander zu vereinbaren, aber ich schaffte das nicht.
    » Hey, sieht aus, als hätten wir da zwei ganz Wilde!«, rief Slinky. Er zeigte auf einen alten Toyota, der auf der anderen Seite der Broughton Street parkte. Auf dem Rücksitz saß ein Pärchen, aber ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass die beiden » wild« waren. Sie saßen einfach da, und die Frau hatte dem Mann einen Arm um die Schultern gelegt.
    Slinky flitzte über die Straße und schaute kichernd durch das Wagenfenster. Er legte die Hände um sein Gesicht, damit es nicht spiegelte.
    » Scheiße!«, rief er. Er sprang von dem Toyota weg, als hätte er sich verbrannt, und setzte die Maske auf, die er um den Hals hängen hatte.
    » Was ist denn?« Auch Cortez setzte seine Maske auf und bückte sich, um durch das Wagenfenster zu sehen. Ich tat es ihm nach.
    Der Mann war tot. Die Zunge hing ihm aus dem Mund, sie war dreimal so dick wie normal, und unter seiner Haut beulten sich Blutgefäße und Lymphknoten wie Ballons. Irgendein Designer-Virus.
    Die Frau hatte es auch erwischt– sie sah aus wie ein Basset. Mit geschlossenen Augen holte sie mühsam Luft. Sie saß einfach neben ihrem Mann und wollte sterben. Dabei hielten sie sich an die Regeln für Virusopfer– trotz der brütenden Hitze hatten sie die Autofenster fest geschlossen. Es tat mir in der Seele weh, die beiden so zu sehen, aber ich konnte nichts tun. Ich war kein Arzt. Und es gab in der ganzen Stadt keine Ärzte mehr, selbst wenn ich genug Geld dafür gehabt hätte.
    » Kommt weiter«, sagte Dice. Er versuchte, seinen coolen Gang wieder hinzukriegen, aber nun fehlte der richtige Schwung.
    Wir gingen über den Madison Square, der ganz in der Nähe von Cortez’ Wohnung lag. Zwanzig oder dreißig Obdachlose hatten auf dem Platz ihr Lager aufgeschlagen. Ich hatte noch nie so abgerissene Menschen gesehen. Die Fetzen, die sie auf dem Leib trugen, konnte man nicht einmal mehr als Lumpen bezeichnen, es waren nur noch zusammengenähte Stoffstücke, die ihre Körper oft nicht einmal notdürftig bedeckten. Ein junges Mädchen lief oben

Weitere Kostenlose Bücher