Wie du Ihr
aufschreiben. Ich sollte diese Gedanken erst gar nicht zulassen.
Ich sollte lieber über nützliche Dinge nachdenken. Ich muss Pläne schmieden. Aber das ist gar nicht so leicht. Ich fühle mich immer noch sehr schwach. Der morgendliche Gang durch die Station strengt mich an, und während ich diese Notizen mache, muss ich gegen den pochenden Schmerz hinter meinen Augen kämpfen. An jedem Morgen, an dem ich aufwache, sehe ich die Welt ein wenig klarer. Aber es ist ein bisschen so, wie wenn ein Blinder sehen lernt. Das meiste, was ich erkenne, macht mir Angst. Und die Dinge, die ich nicht sehe, machen mir noch mehr Angst. Leute, die mir schaden wollen und sich nicht blicken lassen.
Mittlerweile bin ich mir ganz sicher, dass Margaret gefährlich ist. Heute kam sie mit ihrem wie üblich voll beladenen Rollwagen zu mir und stellte sich neben mein Bett. Sie kramte demonstrativ darin herum, bis sie schließlich eine bedrohlich aussehende Spritze in der Hand hielt.
»Ich will dir nur ein bisschen Blut abnehmen«, sagte sie, während sie ein Band um meinen Arm wickelte und festzog. »Ich muss nachsehen, ob die Medikamente richtig wirken.« Genauso gut hätte sie auch sagen können: »Ich weiß genau, was du tust.« Sie sah mich durchdringend an, aber ich reagierte nicht.
Als sie fertig war, bin ich ihr heimlich gefolgt. Während sie ihre Runde machte, trieb ich mich unauffällig im Hintergrund herum, in der Hoffnung auf irgendwelche Anhaltspunkte. Bei manchen Patienten ist sie schweigsam, bei anderen gesprächig. Und zwar bei denen, von denen sie glaubt, dass sie sie verstehen. Und mit mir redet sie auch immer. Nachdem sie den letzten Patienten versorgt hatte, schob sie den Rollwagen in Richtung Schwesternzimmer. Ich hörte, wie das Röhrchen mit meinem warmen Blut den ganzen Weg klappernd gegen eine Metallschüssel stieß. Dann hörte das Klappern plötzlich auf. Vor einer Tür ohne Schild, von der ich bisher immer dachte, dass sie zu einem Vorratsraum führt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie hier stehen bleiben würde, und musste mich rasch in einem Türrahmen verstecken. Aber von Weitem sah es so aus, als hätte sie mein Röhrchen genommen und in ihre Tasche gesteckt. Sie ging durch die Tür und kam gleich darauf wieder raus. Dann ging sie weiter.
Ich wartete fünf Minuten, ehe ich mich in den Raum schlich. In dem Zimmer standen drei große Müllbehälter. Auf einem stand »Organischer Abfall«, auf den anderen beiden »Restmüll«. Die Behälter hatten eine Öffnung im Deckel, durch die man den Müll stecken konnte, und waren mit einem Schloss gesichert. Ich konnte also nur vermuten. Vermuten, dass Margaret meine Blutprobe weggeworfen hatte. Aber warum sollte sie das tun? Hier ist es nicht immer einfach, die Logik hinter den Dingen zu erkennen. Vielleicht war die Blutprobe überhaupt nicht angeordnet worden. Vielleicht wollte sie mich nur auf die Probe stellen und testen, wie ich reagiere. Wahrscheinlich gibt es noch andere mögliche Gründe, die ich nicht sehen kann und deren verschwommene Umrisse mich die ganze Nacht wach halten.
10
Schlafen ist wie Kacken für den Verstand. Träume sind nichts anderes als unbrauchbare Gedanken, die einen vergiften, wenn man sie nicht herauslässt. Schlafmangel kann einen ziemlich schnell verrückt machen. In jener Nacht in der Scheune hatte keiner von uns viel geschlafen. Drei oder vier Stunden höchstens. Die Nacht in Cone Hut war noch viel schlimmer.
Die kleine Hütte ist maximal drei auf vier Meter groß. Der Schlafplatz befindet sich auf einem Holzpodest über dem Lehmboden. Dort könnten sechs Personen bequem Platz finden. Wenn es Matratzen gäbe. Gab es aber nicht. Sondern nur einen vermoderten Schaumstoffklumpen, der nach Feuchtigkeit, Dreck und Dingen roch, die man sich lieber nicht vorstellen wollte. Wir legten uns früh hin, direkt nach der Funkmeldung. Der Wetterbericht meldete aufkommenden Wind für den folgenden Nachmittag und möglicherweise Regen im Bergland. Wir hörten, wie sich die anderen Gruppen per Funk meldeten. Alle drei waren oben in Alpha. Irgendetwas schien die schnellste Gruppe aufgehalten zu haben. Als die Zentrale sie fragte, ob sie irgendwelche Nachrichten hinterlassen wollten, antworteten sie: »Nein, danke.« Als wären wir überhaupt nicht mit ihnen auf Tour gegangen. Das war uns nur recht. Wir hinterließen auch keine Nachricht. Wir waren heilfroh, dass wir sie erst am Ende der Wanderung wiedersehen würden.
Als ich mich auf den
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