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Wie du Ihr

Wie du Ihr

Titel: Wie du Ihr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Beckett
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er, die Beherrschung zu verlieren, wenn er erst einmal loslegte. Stattdessen nahm er uns ins Verhör und tarnte seine Missbilligung mit Formalitäten.
    »Wo habt ihr letzte Nacht geschlafen?«
    »In einer Scheune«, antwortete Jonathan sichtlich zufrieden. »Vielleicht sollten Sie diese Übernachtungsmöglichkeit in Zukunft berücksichtigen. Es war echt gemütlich.«
    »Ihr habt vergessen, euch um halb acht per Funk zu melden.«
    »Unsere Funkgeräte sind in unserem Gepäck im Begleitwagen. Wir dachten, Sie hätten das vielleicht für uns übernommen.«
    In diesem Moment hätte Mr Camden Jonathan bestimmt am liebsten geohrfeigt, so wie die meisten Leute. Aber es gibt Gesetze und Arbeitsplätze, also drehte er sich um und stellte Ms Jenkins die restlichen Fragen. Auch wenn er damit seine eigenen Regeln missachtete.
    »Sehe ich das richtig, dass sich ihre Pläne für heute geändert haben?«
    »Ja. Ich glaube, sie wollen heute nur bis nach Cone fahren. Morgen dann Alpha und am Dienstag über den Gipfel runter nach Parawai.«
    »Falls nichts mehr dazwischenkommt«, fügte er mit hochgezogenen Augenbrauen hinzu. Vermutlich wollte er noch viel mehr sagen, aber er versuchte es nicht einmal. »Eure Ausrüstung ist oben am Ende der Straße. Wenn ihr um neun noch nicht da seid, wird Joe ohne eure Räder weiterfahren.«
    »Vielen Dank auch«, sagte Jonathan leise, als Mr Camden wieder in den Wagen stieg. »Es war uns eine Freude, Sie zu sehen.«
    Wir fuhren los und Joe zwinkerte uns zu, als wir an ihm vorüberstrampelten, als käme ihm das alles sehr bekannt vor.
    Wir schafften es bis neun Uhr, aber nur knapp. Die anderen Gruppen waren bereits aufgebrochen und wir luden in aller Ruhe die Räder ein, damit wir auf keinen Fall eine Chance hatten, sie noch einzuholen. Dann schulterten wir zum ersten Mal unsere Rucksäcke und gaben die üblichen Kommentare von uns.
    »He, wer hat denn die Steine in meinen Rucksack gepackt?«
    »Wenn du denkst, deiner wäre schwer, dann probier erst mal meinen.«
    »Wenn ihr glaubt, dass ich mit diesem Ding den Berg hochstiefele, habt ihr euch geschnitten.«
    »Wie wär's, wenn wir einfach direkt zum Fluss runtergehen und uns treiben lassen?«
    »Schwimmen Rucksäcke denn?«
    »Dummerweise landen wir dann an der falschen Küste.«
    »Ich glaube eher, dann landen wir im See.«
    »Und wennschon. Da gehe ich jedenfalls nicht hoch.«
    »Ach was. Wenn wir erst mal losgegangen sind, ist es nur noch halb so schlimm.«
    »Du meinst wohl, wenn ich erst einmal eine Zigarette geraucht habe, ist es halb so schlimm.«
    Irgendwann brachen wir auf. Als Erstes erwartete uns eine schwankende Stahlseilhängebrücke hoch über der Schlucht. Der Blick von der Mitte der Brücke ließ mich einige Sekunden lang das Gewicht meines Rucksacks vergessen. Der Anblick war atemberaubend. Gebannt blickte ich auf das zielstrebig dahinströ-mende Wasser unter mir und den Weg, den sich der Fluss durch die massiven Felswände gebahnt hatte. Hoch über den Felsen erstreckte sich dichtes Gebüsch. Und genau dort wollten wir hin.
    Man hatte uns gewarnt, dass der erste Anstieg zum Bergkamm an der Ostflanke des Waiohine-Tals einer der steilsten der gesamten Tour sein würde. Immer wieder mussten wir uns an Baumwurzeln und Ästen festklammern, um nicht abzurutschen. Meine Lungen brannten wie noch nie, meine Beine schmerzten und mir war speiübel. Zum Glück war der Anstieg nicht allzu lang, dann wurde es flacher. In den eineinhalb Stunden legten wir zahlreiche Pausen ein, um uns gegenseitig zu bedauern. Jeder von uns wusste genau, dass wir es problemlos bis zu den anderen nach Alpha schaffen konnten, wenn wir wollten. Aber keiner erwähnte diese Möglichkeit. Nicht einmal Ms Jenkins.
    Wir trödelten über die Anhöhe, wo die Vegetation lichter wurde und der Matsch gerade tief genug, um in unsere Wanderschuhe zu dringen. Als wir an dem Schild anlangten, das talabwärts nach Cone zeigte, zog Lisa eine Digitalkamera aus der Tasche. Als hätte sie die ganze Zeit über gewusst, dass unser Trip es doch noch wert sein würde, festgehalten zu werden. Sie brauchte drei Versuche, bis sie wusste, wie der Selbstauslöser funktionierte. Dann liefen wir den Abhang hinunter. Die Aussicht, dass wir es beinahe geschafft hatten, brachte die Gespräche zurück. Fröhliches Geplapper, als wären wir alle alte Freunde.
    Cone Hut ist eine altmodische Schutzhütte aus massiven Baumstämmen, die auf einem Felsvorsprung über dem Fluss steht. Das Innere der

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