Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie du Ihr

Wie du Ihr

Titel: Wie du Ihr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Beckett
Vom Netzwerk:
macht endlich das Brot weg.«
    Es war wie früher. Wir packten alles weg, warfen uns noch ein paar Beleidigungen an den Kopf und verkrochen uns wieder in unseren Schlafsäcken. Die Holzbretter fühlten sich jetzt noch härter an, aber ich war schon im Halbschlaf, als die Ratten zurückkamen. Ich hörte, wie eine über das Brett lief, das nur wenige Zentimeter von meinem Kopf entfernt an der Wand befestigt war. Dann war es plötzlich still. So still, wie es ist, wenn fünf Personen auf das gleiche Geräusch warten. Plötzlich flitzte eine zweite Ratte so nah an mir vorbei, dass ich sie riechen konnte. Diesen ekelhaften Geruch nach Pisse. Ich verbarg meinen Kopf in meinem Schlafsack, bis es mir so heiß wurde, dass ich kaum noch Luft bekam.
    Etwas streifte meine Haare und ich erstarrte. Das war nur Rebeccas Hand, versuchte ich mich zu beruhigen. Dann schrie Lisa gellend auf.
    »Sie war in meinen Haaren!« Sie setzte sich auf und rieb sich panisch über den Kopf. »Dieses verdammte Biest war in meinen Haaren!«
    »Die haben bestimmt Flöhe«, bemerkte Jonathan.
    Lisa verpasste ihm einen Schlag auf den Hinterkopf.
    »Aua! Ich mein ja bloß.«
    »Ich glaube, eine hat gerade mein Ohr gestreift«, sagte ich.
    »Sie ist immer noch hier!«, kreischte Lisa. »Da!«
    Im Lichtkegel ihrer Taschenlampe kauerte die Ratte am Fußende. Ich hätte sie berühren können, wenn ich die Hand ausgestreckt hätte. Sie sah uns mit ihren schwarz glänzenden Augen furchtlos an. Jonathan schnappte sich Lisas Taschenlampe und schleuderte sie auf das kleine Biest. Es gab einen dumpfen Knall, dann war es dunkel.
    »Jetzt hast du die Glühbirne kaputt gemacht.«
    »Willst du lieber, dass sie noch mal zurückkommen?«
    »Das werden sie bestimmt. Jetzt, wo sie wissen, dass du nicht zielen kannst.«
    »Ich kann sowieso nicht mehr schlafen«, erklärte Lisa. »Keine Chance.«
    »Lisa.« Rebecca sprach langsam, als müsste sie sich sehr beherrschen, um nicht zu platzen. »Hat sie dich gebissen? Hat sie dir irgendetwas getan?«
    »Nein.«
    »Na also. Dann ignorier sie einfach.«
    »Das kann ich nicht.«
    Ms Jenkins murmelte etwas Unverständliches, kroch aus dem Schlafsack und ging zu ihrem Rucksack.
    »Hier. Ich zünde eine Kerze an. Solange die brennt, werden sie nicht zurückkommen.« Vielleicht stimmte das. Vielleicht hatte auch Jonathans Attacke mit der Taschenlampe sie vertrieben. Oder sie sind zurückgekommen und über mein Gesicht gelaufen. Ich weiß es nicht. Ich schlief.
    Als ich aufwachte, war mein Hals trockener, mein Kopfweh schlimmer und mir war schlecht. Lisa und Jonathan schliefen beide noch. Rebecca war schon auf und aß ein Müsli. Wir hatten zwei Tage kaum geschlafen, einen Tag Verspätung, Ratten hatten unsere Vorräte angefressen und die schwierigste Etappe lag noch vor uns. Ich war mir plötzlich ganz sicher, dass Mr Camden uns in den Folgekursen als abschreckendes Beispiel dafür benutzen würde, wie man die Exkursion auf keinen Fall angehen sollte.
    Die Strecke begann mit einer Flussüberquerung, die ganz gut verlief. Es hatte schon länger nicht mehr geregnet und das Wasser war nicht allzu tief. Anschließend schleppten wir uns mit nassen Füßen einen zweieinhalbstündigen Anstieg hoch und meine Laune änderte sich fast minütlich. Weil wir ständig stehen blieben, um etwas zu trinken, jemanden zu beschuldigen oder zu jammern, fanden wir nie zu einem gleichmäßigen Rhythmus. Eigentlich waren wir gar nicht so unfit. Nur Lisa schien immer wieder zu kämpfen, aber auch das nur in unregelmäßigen Abständen. Unser Schwachpunkt war eher sozialer Art.
    Ich merkte, dass ich Ms Jenkins unterschätzt hatte. Sie schien kein bisschen erschöpft, obwohl sie genauso wenig geschlafen hatte wie wir. Sie wirkte ausgeglichen und blieb den ganzen Tag ruhig und gelassen. Es war, als ließe sie uns stillschweigend wissen, dass wir uns auf sie verlassen konnten, wenn es darauf ankam. Und sie war von uns allen am fittesten. Wenn sie vor uns ging, sah ich, wie sich ihre Wadenmuskeln bei jedem Schritt anspannten, und sie schien niemals abzurutschen oder langsamer zu werden.
    Der Weg führte zwischen Sträuchern und Buchen hindurch und wurde weiter oben immer moosiger. Als der Anstieg allmählich abflachte, lichteten sich die Bäume und wir durchwanderten eine Landschaft aus niedrigem Buschwerk und Felsen. Hier hörten wir zum ersten Mal den Wind, der über uns durch die Gipfel pfiff. Zuerst achtete ich nicht darauf. Ich war zu sehr damit

Weitere Kostenlose Bücher