Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
Vom Netzwerk:
Die ernsten Nachrichtensprecher flackerten und verschwanden. Zurück blieben das stille Zimmer und Dallys Herzschlag.
    Sie nahm sein Gesicht zwischen die Hände, drehte es ihrem zu.
    „Bitte, ich will hören, was los ist.“
    Er wich zurück, doch sie hielt ihn fest.
    „Dally, schau mich an. Ich will es wissen, hörst du?“
    Wozu eigentlich der Widerstand? Er würde Sandra sowieso verlieren, früher oder später. Welchen Zweck hatte es, sie nur deshalb noch um sich zu haben, weil sie ihn nicht wirklich kannte?
    „Einer meiner Kindheitsfreunde wurde heute Nacht erschossen.“
    „Oh Dally, das tut mir so leid, kann ich etwas für dich tun?“
    Sie zog ihn an sich und umarmte ihn, bemerkte die fehlende Gegenreaktion und ließ ihn wieder los. Er betrachtete die ganz und gar perfekte Kurve, die ihr Hals und ihre Schulter bildeten. Bronzerote Haare ringelten sich darauf.
    „Er ist tot, weil wir uns gestern Abend getroffen haben.“
    „Das ist doch Blödsinn, es werden doch immer wieder Polizisten …“, sie runzelte die Stirn, eine kleine Falte über der Nase vertiefte und verflachte sich mit ihren Gedankengängen. „Was meinst du?“
    „Der Bulle an der Straßenkontrolle hatte recht. Ich bin einer der Bösen hier.“
    „Das ergibt keinen –“
    „Hör mir zu. Gestern, als du mich angerufen hast, hatte ich eigentlich schon was vor, kannste dich erinnern?“
    Sandra nickte wie eine zurechtgewiesene Erstklässlerin. Vielleicht verstand sie ihn nicht einmal. Über seinen Akzent war sie immer wieder gestolpert.
    „Du wolltest deine Kumpels treffen und mit ihnen was trinken, aber du hast abgesagt …“, wagte sie einen Vorstoß. Ihr Blick hatte sich inzwischen von Dally abgewandt.
    „Ich hab nie gesagt, dass wir uns auf ’nen Drink treffen wollten.“
    Sie lachte kurz und hart, als wäre das Haarspalterei.
    „Okay, und tatsächlich wolltet ihr einen Anschlag machen oder was?“
    Mit Sandras plötzlich unnatürlich hoher Stimme ausgesprochen, klang das tatsächlich absurd. Jetzt oder nie. Wenn er noch einmal log, noch einmal beschönigen oder verschweigen musste, würde er explodieren.
    „Wir sollten jemanden erschießen, ich und ein anderer. Einen Loyalisten.“
    Sandra schnaubte. Mehr nicht.
    „Und nur, weil ich angerufen hab, hast du’s nicht getan?“ Sie fixierte den Teppich zu ihren Füßen. Schön sah sie aus und gleichzeitig kalt, wie eine Porzellanpuppe.
    „Das ist ’ne lange Geschichte. Ich will aufhören. Dinge sind passiert … ich konnte einfach nicht mehr. Als du angerufen hast, wurde mir das klar, also hab ich den Jungs gesagt, dass ich nicht mit dabei bin. Der Rest war im Fernsehen.“
    „Wie lange machst du das schon?“ Sie schien hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, zu wissen, und der Angst davor.
    Dally war, als würden sich all die Worte, gegen deren Widerstand er so oft kämpfte, plötzlich vor seinen Augen aufreihen, eines nach dem anderen, wie ein von ihm selbst geschriebener Text.
    „Ich hatte früher nie was mit den Provos zu tun, ehrlich. Vor ’n paar Jahren hab ich ’nem Freund ’nen Gefallen getan und wurde verhaftet. Bei dem Verhör habense mir den Arm ausgerenkt. Fünf Jahre hab ich gekriegt, und kurz danach erzählt mir meine Frau, dass sie schwanger ist, und mein Freund hat sich ’n paar Monate später selbst in die Luft gejagt, wegen eines kaputten Zünders. Ich wollte mich nur noch umbringen. Hab’s auch versucht, mit meinem Einweg-Rasierer, aber es hat nicht mal für ’ne Blutkonserve gereicht. Die Tätowierung hab ich drüber machen lassen, damit man die Narben nicht sieht.
    Im Gefängnis, in dem ich war, gibt’s nur Provos und Loyalisten und dazwischen gar nichts, verstehste? Ich wollte nicht auf mich allein gestellt sein. Die Jungs haben mich wie einen von sich behandelt, obwohl meine Mutter ’ne Protestantin ist und mein Vater Einwanderer. Sie wollten, dass ich was für mein Hirn tue, also hab ich Gälisch gelernt. Alle haben da drin Gälisch gesprochen und ich irgendwann auch. Keiner hat mich gezwungen, ich hab das ganz natürlich gefunden nach allem, was die für mich getan haben.
    Als sie mich entlassen haben, war ich ganz wild drauf zu arbeiten und alles nachzuholen. Aber Ben war wie ’n fremdes Kind für mich, und für meine Frau war ich bloß so ’n Versager, und ich konnte keinen Job finden. Plötzlich war ich ’n Terrorist, obwohl ich gar keiner war.
    Wir hatten kein Geld, und irgendwie musste es weitergehen, also hab ich mich freiwillig

Weitere Kostenlose Bücher