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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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gemeldet, mal hin und wieder was für die Provos zu machen. Botengänge und so ’n Zeugs. Mit meiner Frau lief’s nicht so gut, also war ich froh, wenn ich weg war von zu Hause.
    Einmal hieß es dann, ob ich mich nicht bei den Aktiven Einheiten vorstellen könnte. Bei einem unserer Trainings kam raus, dass ich gut schießen kann, und so kam eines zum anderen. Ich war so stolz, als sie mir ’nen Auftrag gegeben haben, verstehste, zum ersten Mal …“, seine Stimme brach. Sandras Konturen verschwammen, ihre Haut war fahl wie das Licht, das zum Fenster hereindämmerte. Sie saß reglos da und starrte an ihm vorbei. Wartete weiter auf seine Erklärung für das Unerklärbare.
    „Es war so unwirklich. Plötzlich hatte ich jemanden erschossen. Ich hab vier Menschen auf dem Gewissen, Sandra. Beim ersten Mal wollte ich das sogar. Später nicht mehr, aber ich hab’s trotzdem getan, ich hab das alles getan, weil …“
    Weil?
    Rache ist ein verständlicher Impuls, aber kein Grund, der IRA beizutreten, merk dir das, Junge, hatte Brian Hanlon bei ihrer letzten Unterhaltung vor Dallys Vereidigung geraunt. Er hatte als einziger geahnt, worum es Dally ging. Um den glatzköpfigen Detective. Um fünf Jahre. Um sein Leben, das er einfach so in den Ausguss gekippt hatte.
    Und er hatte seine Rache gehabt. Hatte so lange abgedrückt, bis alle außer ihm selbst davon überzeugt waren, dass er der Richtige für diesen Job war.
    Sandra hob den Kopf, um abzuschätzen, ob Dallys Monolog zu Ende war. Eine Weile blieb sie in ihrer Zierpuppen-Position, dann ging sie zum Schrank, holte aus einer der Schubladen Unterwäsche und begann sich anzuziehen, ohne ihr Badetuch abzulegen. Darauf folgte die Hose ihres grünen Kostüms, ein weißes Hemd mit auffallend langen Manschetten.
    „Sandra.“
    Sie ging ins Bad, ohne zu reagieren.
    Er hatte mit einer Ohrfeige gerechnet oder damit, dass sie auf den Gang lief, nach der Polizei rief oder den Kammerjägern. Ihre zur Schau gestellte Gleichgültigkeit machte ihn ratlos. Sollte er hier sitzen bleiben? So tun, als wäre nichts, und duschen gehen?
    Im Bad tat sich nichts. Kein Kramen in der Kulturtasche, keine Schritte.
    „Sandra?“
    Wieder keine Antwort. Er musste zu ihr. Aber nicht in Shorts . Er nahm seine Jeans von den geknickten Rosen, zog sich sein irgendwo zwischen den Decken zerknülltes T-Shirt über. Noch immer kein Geräusch aus dem Bad.
    „Sandra?“ Die Badezimmertür öffnete sich einen Spaltbreit, als er mit Zeige- und Mittelfinger dagegen klopfte.
    „Ja?“ Sie klang, als habe sie überhaupt nicht damit gerechnet, dass er die Manieren besaß, anzuklopfen. Sie drehte sich hastig um und lehnte sich an das Waschbecken, das größte Exemplar aus ihrer Pinselkollektion in der Hand. Von seiner vibrierenden Spitze rieselte Puder.
    „Tut mir leid“, begann Dally. Über ihre Schulter hinweg sah er sich selbst im Spiegel. Ein Wolf, der heimlich im Schatten auf Opfer lauerte. „Ich wollte nicht damit rausplatzen, aber ich hab das jahrelang mit mir rumgeschleppt.“
    „Ich versteh schon. Solche Erlebnisse kann sich jemand aus Boston nicht mal vorstellen“, sagte sie. Klang nach Sympathie, war aber keine.
    „Deshalb war ich auch bei der Kontrolle so nervös. Ich … ich hatte Angst, und dann dieser Scherz …“
    Sie lachte ohne jede Spur von Heiterkeit.
    „Ja, das erklärt einiges.“
    „Sandra, komm schon, du brauchst nicht so zu tun, als würdest du’s verstehen“, er ging zu ihr und nahm ihre Hand. Sie wich ihm aus, doch er bekam sie zwischen Handfläche und Handgelenk zu fassen. Sie fühlte sich klamm an. „Ich versteh’s ja nicht mal selbst. Ich wollte es eigentlich erzählen, aber ich wusste nicht wie. Wahrscheinlich gibt es dafür keinen richtigen –“
    Er stockte. Unter seinen Fingern spürte er ihren Puls, rasend wie der eines Vogels, den man mit der Hand gefangen hatte.
    Ihm fiel ein, woher er dieses seltsame Verhalten kannte. Gemeinsam mit Lucky und Rooster hatte er einmal ein Pärchen in deren Haus festgehalten, während ihr Auto für einen Bombentransport verwendet wurde. Die Frau hatte sich der Situation unangemessen freundlich und zuvorkommend verhalten, aus Angst, eine falsche Bewegung würde sie das Leben kosten.
    Genau wie Sandra. Eine Geisel in der Hand eines unberechenbaren Mörders. Bloß nichts sagen, was ihn reizen konnte, ihn einfach nur loswerden, in Sicherheit kommen. Sie hatte sicher genug Gangsterfilme gesehen, um zu befürchten, sie könnte das Schicksal

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