Wie Du Mir
ausdünnendes Haar, zwei Kinne mit unregelmäßigem Bartwuchs. Fehlte nur noch die Hundemarke. Seine linke Gesichtshälfte war besprenkelt mit Splitterwunden in der Größe von Sommersprossen.
„Hat man von Ferguson was gehört?“
„Der zieht wie alle anderen den Kopf ein.“ Hugh sah wieder aus dem Fenster und nahm einen Schluck aus der Dose.
„Vielleicht ist er abgehauen.“
Kopfschüttelnd zerknüllte Hugh die Bierdose mit einer Hand und stellte sie auf den Schreibtisch, wo sie wie ein verwundeter Soldat schwankte.
„Vor Sullivans Begräbnis wird er gar nichts tun. Danach wird sich der Krampf lösen. Da geb ich dir ’ne persönliche Garantie.“ Er sah auf seinen Kalender, zog die Augenbrauen übertrieben nach oben. „Huch, das ist ja schon heute.“ Er schüttelte das Handgelenk, betrachtete seine Armbanduhr. „Ich wette, all unsere Lieblingsprovos machen sich gerade schick.“
„Glaubst du, Paul wird sich wieder melden?“
„Sicher. Jetzt muss er mal in Deckung gehen, aber das legt sich wieder.“
„Und wenn er uns verarscht? Er wäre nicht der erste Agent, der plötzlich –“
„Dein ewiger Pessimismus geht mir auf den Sack“, Hughs Faustschlag auf den Tisch brachte die verkrüppelte Bierdose endgültig zu Fall. „In jeder unserer Operationen gibt es Unwägbarkeiten. Wir behalten alles im Auge, und sobald sich was rührt, sind wir dabei. Haste zu schwache Nerven dafür oder warum unterstützt du mich nicht?“
Will erhob sich und sah Hugh an, die blutunterlaufenen Augen, die flach auf den Schreibtisch gepressten Handflächen. Er hatte kaum Ähnlichkeit mit Rekrut Hackney, mit dem er über den Hof der Polizeiakademie exerziert war. Nur der Ehrgeiz war ungebrochen.
Plötzlich hatte Will das Bedürfnis, Kate anzurufen; ihr zu sagen, wie fremd ihm sein Freund war und wie unfähig er selbst sich fühlte, Hugh für seine Hilfe dankbar zu sein.
„Du hast meine Unterstützung. Aber ich hatte nur zwei Stunden Schlaf. Wenn deine Prognose stimmt, haben wir nach dem Begräbnis noch mehr zu tun als die letzten Tage. Ich bin ein Mann mittleren Alters. Ich muss mich ’n paar Stunden schlafen legen, und du solltest das auch tun. Du siehst geschafft aus.“
Hugh sagte nichts, doch seine Hände lösten sich von der polierten Holzoberfläche. Sein Ausbruch schien schon wieder vergessen.
„Dann sehen wir uns am Abend“, sagte er, als Will die Tür zum Büro des kleinen Lou öffnete. „Und vergiss nicht, mir deine neue Freundin vorzustellen.“
In den Augen des notorisch neugierigen Lou glomm ein Funken auf.
„Spinner“, lachte Will und signalisierte Lou, dessen Vorgesetzter habe nun leider den Verstand verloren. Sicher umsonst. Bis zum Abend würden Mann und Maus in Castlereagh wissen, dass Will eine neue Frau gefunden hatte.
***
„Jesus Christus, was ist das denn?“ Seán betrachtete stirnrunzelnd den gedeckten Küchentisch. „Seit wann kannst du kochen?“
Dally sah nur kurz von der Pfanne auf.
„Seit ich muss.“
Seán lachte vage, wühlte durch seine vom Schlaf platt gedrückten Haare. Stuhlquietschen, als er sich niederließ, dann lange nichts.
Ohne sich umzudrehen, wusste Dally, dass er die Briefe entdeckt hatte und jetzt untersuchte. Die Stirn wahrscheinlich in den erstaunlich strengen Falten, die Dally auch von Ben kannte. Er hörte Seáns Räuspern, dann das Klick-Klack seiner Fingernägel.
Für Ma & Dad.
Für Marie.
Für Ben.
Er hatte sie alle am Küchentisch geschrieben, bis seine Finger sich jeder weiteren Bewegung widersetzt hatten. Vier Seiten für Ma und Dad, sechs für Marie, zwei für Ben. Alle gefüllt mit nach rechts kippender Schrift, deren Regelmäßigkeit ihn ähnlich erstaunte wie die Gedanken, die sie ausdrückte. Auf Papier war alles klarer, einfacher zu kontrollieren als in seinem Kopf.
Er fühlte sich ruhig und auf angenehme Weise leer. Herr der Lage, zum ersten Mal seit er-wusste-nicht-wann. Und er hatte Hunger. Er schob die glibberigen Eier in der Pfanne herum, ein Reigen mit den Tomaten und Würstchen. Daneben machte der Haferbrei blubbernd auf sich aufmerksam.
„Mann, wie schaffst du es, immer noch diese Kotze zu essen?“, sagte Seán.
Dally beschloss, auf sein Ablenkungsmanöver einzugehen.
„In meinem Alter soll man dem Magen Gutes tun.“ Er zog den Topf vom Herd, streute Zimt und Zucker darüber.
„Was für ’nen verdammten Mist du laberst, geht auf keine Kuhhaut.“
„Schnauze, Kleiner.“
Er ließ zwei der Würstchen auf
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