Wie Du Mir
es eine unglückliche Verwechslung mit Dallas’ Bruder.“ Er seufzte. „Jetzt haben wir leider noch ein Problem.“
Hinter ihm ein Schwappen, dann ein Mittelding zwischen Husten und Japsen – und gerade, als JR zu einem Wort ansetzte, wieder ein Platschen, dann wieder nichts.
„Was hab ich gesagt?“, zeterte Flynn. „Aufpassen, hab ich gesagt.“
Liam fühlte seine Handflächen feucht werden.
„Ist Seán hier?“
„Drüben im Haupthaus. Rooney und McCarthy sind bei ihm.“ Er studierte kurz die gespreizten Beine der zukünftigen Königin, dann wieder Liams Reaktion. „Er wirkt sehr angespannt. Rooney scheint nicht die richtige Gesellschaft für ihn zu sein, und ich kann keinen zusätzlichen Aufruhr brauchen. Rede du mit ihm, dich kennt er.“
„Aber wenn er erfährt, was mit JR passiert ist, wird er –“
„Er wird es nicht erfahren.“
„Aber sobald er hier raus ist, wird er –“ Er stutzte.
„Natürlich würde er.“ Hanlon räusperte sich und schickte Liam einen Blick, als wäre seine Geduld schon arg strapaziert. „Deshalb ist er auch ein Sicherheitsrisiko. Und das werden wir nicht eingehen.“
Zum ersten Mal spürte Liam die Kälte in dem Raum, wie steif seine Finger geworden waren. Sogar seine Stimme schien eingefroren.
Wieder explodierte ein Husten hinter ihm, dann ein zum Asthmaanfall reduzierter Atemzug, auf halber Strecke erstickt vom nächsten Platschen. Das würde niemals reichen, falls sie ihn noch einmal so lange unten ließen. Jemand grunzte vor Anstrengung.
„Und ich soll Seán jetzt falsche Hoffnungen machen?“
Hanlon schmatzte missbilligend.
„Du solltest das positiver sehen, Liam. Hoffnung ist ein Geschenk. Sie wird uns heute allen das Leben erleichtern und das Sterben genauso.“
Zwischen Pest und Cholera
Er hatte keine Ahnung, wann er das Bewusstsein verloren hatte, und auch nicht, wie lange. Nur an das Wasser konnte er sich erinnern. Überall, erstickend und undurchdringlich, bitte lasst mich rauf, ich kann nicht atmen, die Hand in seinem Nacken, die Arme, die ihn an jeder Bewegung hinderten, lasst mich rauf, lasst mich rauf; seine eigene Stimme, die keinen Ausweg fand, ich wollte mal sterben, aber jetzt doch nicht mehr , bittebittebitte lasst mich rauf; die Betonkante der Wanne in den Rippen, diffuse Bilder von Marie, Ben, dem RUC-Portier aus Tyrone, Lucky, du, ich hab Liam neulich bei was Komischem gesehen , lasstmichrauflasstmichrauflasstmichrauf, Seán im Auto, sein versteinertes Gesicht, lasst mich rauf, ich sterbe, die Lungen wie ein Luftballon in einem Schraubstock, ich muss atmen, muss, muss, MUSS, das Wasser in der Luftröhre, dann im Magen, der sich erbittert dagegen wehrte, würgen, noch mehr Wasser, Wasser statt Atem. Ein rötlicher Schleier vor seinen Augen. Vorbei, endlich.
Dann hatten sie ihn nach oben gezogen, für genau so lange, bis er alles ausgehustet hatte, und ihn wieder untergetaucht.
Das Ganze von vorne. Noch einmal und noch einmal. Er hätte alles und noch mehr zugegeben, hätte er genug Luft oder eine freie Hand, nur eine winzige Chance gehabt.
Irgendwann war schließlich seine rechte Schulter ausgerastet und wieder ein. Der Reflex, nach Luft zu schnappen, war schneller gewesen als die Erkenntnis, dass nur Wasser da war. Sie hatten ihn trotzdem nicht nach oben gelassen. Vielleicht hatten sie es nicht bemerkt, vielleicht wollten sie ihn auch einfach bestrafen für sein ‚Rumgezappel‘. Und so hatte alles seinen Lauf genommen, hatte alles, was grau und braun und rot vor seinen Augen gewesen war, sich zu schwarz verdüstert.
Er öffnete das linke Auge einen Schlitz. Vor ihm die Beine eines Stuhles, dazwischen Unterschenkel in Jeans und nackte Füße in Tennisschuhen, die auf und ab wippten. Zeitungspapier raschelte. Es roch nach Toilette und allem, was rein gehörte. Er hatte die vage Ahnung, dass er daran schuld war.
Er öffnete auch das rechte Auge. Halb rechnete er damit, seine aus dem Brustkorb gerissene Lunge vor sich auf dem Boden zu entdecken. Da waren nur seine Knie, angezogen vor seinem Gesicht. Der Gürtel darum war auch noch da, sah aus wie neu. Etwas direkt vor seiner Nase sonderte einen stechenden Geruch ab. Er musste schielen, um es zu erkennen – ein schleimiges, rötliches Etwas. Kotze. Unwillkürlich zuckte er zurück.
Das Blättern brach ab und der Stuhl quietschte. Hanlons minderbemittelter Leibwächter sah auf ihn herab.
„Ging ja schneller als gedacht.“ Er klang erleichtert. „Hab schon
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