Wie Du Mir
Lippen. Der Flur hallte vom Donnern der Hintertür.
Sogar McCarthy schien erleichtert, ihn los zu sein. Er kratzte sich den rotblonden Stoppelkopf und arbeitete sich aus der Couch, einem ausladenden Teil in Weinrot mit Goldquasten an den Armlehnen. Vornübergebeugt verschlang er den Rest seines Sandwiches.
„Willste was?“, bot er Seán an, doch der schüttelte den Kopf, noch immer aufgebracht von Rooneys Kommentaren. Seine Beine wippten ständig auf und ab, auf dem Knie nässte eine großflächige Schürfwunde.
Die Werbepause war gerade zu Ende. Die übliche James-Bond-Schiene am Wochenende. Der Mann mit dem Goldenen Colt. Ausgerechnet.
„Weißte noch“, fragte ihn Seán, seine Augen sogar im Halbdunkel sichtbar grün. „Rory war immer Scaramanga, ob er wollte oder nicht.“ Er versuchte zu lächeln, doch seine Mundwinkel zuckten dabei.
Ein Sicherheitsrisiko, das wir nicht eingehen werden.
Zum Glück unterbrach McCarthy ihren Blickkontakt, stand auf, streckte sich lautstark.
„Ich muss ’nen großen Braunen loswerden“, verkündete er und tätschelte seinen prallen Bauch, „Kannste bei ihm hier bleiben? Hab da ’ne Ladung –“
„Erspar uns die Details, wenn’s geht“, riet ihm Liam.
McCarthy lachte, watschelte in die Küche und dem Geräusch nach in einen weiteren Raum.
„Was passiert hier, Mann?“, platzte es aus Seán, kaum hatte sich entfernt eine Tür geschlossen. „Was hat Dally getan? Wann lassen die uns gehen?“ Sein Flüstern war eine Mischung aus Hoffnung und besserem Wissen.
Hanlon konnte das nicht von Liam verlangen. Nicht, wenn er einen Rest von Menschlichkeit in seinen Ärmelschonern hatte. Es sei denn …
„Komm Liam, lass mich nicht hängen. Sag mir die Wahrheit.“
Es sei denn, Hanlons liebstes Abschiedsgeschenk sollte nicht nur Seán ruhigstellen.
„Sie werden uns umbringen, nicht wahr?“, sagte Seán plötzlich lauter, als Liam lieb war. „Dally sowieso und mich auch, damit ich keinen Ärger mache.“ Fatalismus passte gar nicht zu seiner Meckerstimme. Solange Liam denken konnte, hatte sie kaum je ein ernst zu nehmendes Wort hervorgebracht.
Mit der Fernbedienung stellte er den Ton lauter, ließ sich dann neben Seán auf die Couch fallen und beugte sich an sein Ohr.
„Hast du das Telefon draußen im Flur gesehen?“
Seán schüttelte den Kopf, holte Luft, um etwas zu sagen, hielt inne.
„Wenn du jetzt damit die Bullen rufst, hab ich’s nicht gesehen.“ Alles in Liams Oberkörper vibrierte von seinem Herzschlag. Diese eine Chance war er ihm schuldig. Mehr war es nicht.
Seán glotzte nur, wischte sich mit beiden Handrücken über die Nase.
„Na mach schon, oder willste warten, bis er zurückkommt?“
Er zerrte Seán auf die Beine und schob ihn Richtung Ausgang, zeigte auf das Tischchen aus schwarzbraunem Holz, ein paar Schritte den Flur hinunter. Schwer zu übersehen. Außer einem Schirmständer, einer leeren Garderobe und dicht an dicht gereihten Landschaftsfotografien gab es keine Einrichtung.
„Wenn ich so mache“, er schnitt sich mit der Handkante die Kehle durch, „legste auf und kommst sofort zurück, oder wir sind beide geliefert.“
Seán nickte abwesend. Er starrte auf das Telefon, als müsste er den Weg dahin barfuß auf glühender Asche zurücklegen.
„Ich bleib hier an der Tür. Lass mich nicht aus den Augen, hörst du?“
Seán humpelte los, ein Fuß vor dem anderen, wie in Zeitlupe. Er nahm den Hörer mit der rechten Hand auf, erkannte, dass er ihn so nicht zum Ohr führen konnte, versuchte, ihn an die linke zu übergeben.
Im Wohnzimmer quietschten Reifen und plärrten Hupen. Bei dem Lärm würde er McCarthy nie rechtzeitig kommen hören. Liam kehrte zurück ins Wohnzimmer, suchte nach der Fernbedienung.
Draußen prallte etwas Hartes auf eine Holzoberfläche, machte eine Kunstpause, landete dann auf Fliesen. Seán, wieder im Besitz seiner Stimme, verfluchte den Scheiß - Hörer .
Mist, er hätte das besser durchdenken sollen. Aber wann?
Er näherte sich dem Durchgang zur Küche, den McCarthy genommen hatte, warf einen Blick hinein. Niemand da. Aus dem Küchenfenster war der Innenhof zu sehen, Dallys Volvo und Eoins Nissan. Er lauschte. Nichts. Nur sein rasender Puls und eine Stimme in seinem Kopf, die nach Rory klang.
Du Schwachkopf, wenn Seán das versaut, kniest du heute noch neben Dally, Sack über dem Kopf, damit dein blödes Hirn nicht überall hinspritzt.
Er dachte wieder an sein Versprechen, Seán nicht aus den Augen
Weitere Kostenlose Bücher