Wie Du Mir
„Die hab ich zehnmal erzählt, und hier bin ich noch immer und Seán auch. Ihr wollt, dass ich irgendwas gestehe, damit ihr euch selbst freisprechen könnt.“
„Jeder kann Fehler machen. Es ist eine Spezialität der Geheimdienste, uns in einem schwachen Moment zu brechen und für ihre Zwecke zu missbrauchen. Du bist nicht der Einzige, dem das passiert“, säuselte Hanlon weiter. „Nur wenn du Reue zeigst, können wir dir auch helfen.“
JR starrte Hanlon an, als beobachte er ihn bei der Metamorphose zu etwas Schrecklichem.
„Ich bereue, dass ich jemals zu diesem Haufen von Arschlöchern gehört habe. Zehn beschissene Jahre, ach was – mein ganzes Leben hab ich euch in den Rachen geworfen und das von vier Menschen auch, nur damit ihr mich jetzt abserviert mit ’n paar Lügen von so ’nem Verräter. Mir wär’ lieber, die Loyalisten hätten mich erwischt, dann würd’ ich wenigstens nicht von den eigenen Leuten verkauft. Jeder Bulle hat mehr Anstand als ihr!“
Hanlon schien genug gehört zu haben. Er tätschelte JRs Nacken und erhob sich seufzend aus der Hocke.
„Dallas, ich glaube, du brauchst eine Nachdenkpause.“
„Wozu das denn? Ist doch alles geklärt. Ich bin schuld am Untergang der ganzen Scheiß-Bewegung.“ Da war er wieder, der unüberlegte, selbstzerstörerische JR. Das rote Tuch, das er seit jeher für Hanlon gewesen war. „Ihr dreht mir noch ’nen Strick daraus, dass ich jemanden nicht umbringe. Wenn das ’nen Verräter ausmacht, bin ich eben einer!“
„Also gibst du’s zu. McCrea war dein Kontakt zum RUC“, blieb Hanlon unbeirrt.
JR hob die Schultern, als hätte er es satt, einen so simplen Sachverhalt noch einmal zu erklären.
Hanlon seufzte und nickte Flynn zu, der den Kopf zur Tür hereinsteckte, um nach der Quelle des Tumults zu suchen.
„Komm nur rein. Und bring Eoin gleich mit. Dallas hier braucht ein wenig Abkühlung.“
Flynns Kopf zog sich wieder zurück.
Hanlon schlenderte hinüber zu einer Wanne aus Beton und bückte sich, als wäre ihm etwas hineingefallen. Ein scharrendes Geräusch, dann erhob er sich. Er drehte an den vierzackigen Wasserhähnen. Bleirohre ächzten in der Wand. Zwei rostige Wasserfontänen schossen in die Wanne, wurden heller, dann klar.
„Jungs, räumt mal den Tisch hier aus dem Weg, damit ihr Platz habt“, sagte er, als sich Flynn und Eoin zur Tür hereinzwängten. Beim Anblick seines Neffen erhellte sich seine Miene.
Im Gegensatz zu der von JR. Was vorhin noch Trotz gewesen war, schlug jetzt in Entsetzen um.
„Ganz ruhig“, sagte Flynn, „dann tut’s auch nicht mehr weh als notwendig.“
Wie so manchen vor ihm traf JRs berüchtigte Schnelligkeit ihn unvorbereitet.
Sein Knie rammte sich so gründlich in Flynns Leistengegend, knapp am Hauptziel vorbei, dass ihm die Luft für einen Aufschrei fehlte. JR entwand sich ihm, lief auf den Ausgang zu. Auf Liam.
Rugby ohne Hände, dachte er noch, dann rammte JR ihn mit voller Wucht, und sie landeten zuerst an der Wand, dann auf dem Boden. Seine kleinen, wölfisch spitzen Zähne, die er so selten zeigte – jetzt fletschte er sie in Liams Gesicht.
„Scheißkerl!“ Seine Stimme bebte trotz des Drucks, der dahinter stand. „Du Scheißkerl, warum machst du das?“
Schon nahm Eoin ihn von hinten in den Schwitzkasten.
„Reichen dir Lucky und Rory nicht?“, fauchte er, weit davon entfernt, seine körperliche Unterlegenheit anzuerkennen. „Musste uns gleich alle umbringen?“
„Du spinnst doch! Rory würde noch leben, wenn du uns nicht verraten hättest!“ Mehr fiel Liam zur Verteidigung nicht ein.
JR versuchte sich noch immer Eoins Umklammerung zu widersetzen. Erst Flynns Faust in seiner Magengrube beendete den Kampf mit einem Schlag. Er ging in die Knie, doch Eoin hielt ihn mit beiden Armen an sich gepresst wie eine Puppe.
„Was hab ich dir gesagt?“, sagte Flynn, während JR vor Schmerz nach Luft rang. „Rumzappeln macht’s nur schlimmer. Dich muss man tatsächlich vor dir selbst schützen.“
Er tastete unter JRs herausgerissenes Hemd, brachte einen Gürtel zum Vorschein und zog ihn aus den Schlaufen, nur um ihn knapp über den Knien wieder zuzuziehen. Ein Ruck, dann steckte er den Dorn ins letzte Loch. Aus seiner Jackentasche holte er eine Art blaues Kabel, hielt es JR unter die Nase.
„Dein Bruder hat bei unserem Besuch leider deine Wäscheleine ruiniert. Wusste ich doch, dass wir sie noch brauchen können.“ Er verknotete es viel gröber als notwendig um JRs
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