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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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Nachdenken, hatte er irgendwann festgestellt.
    „Was sollte das heute Nachmittag? Du hast das Ganze doch angezettelt oder?“
    Aidan war viel zu stolz, um zu leugnen.
    „Dieser Bulle hat irgendwas Beschissenes über Lucky gesagt. Ich hab ihm ordentlich Bescheid gegeben …“, seine Unterlippe vibrierte. „’n paar Leute haben’s mitgekriegt und sich eingemischt. Von irgendwoher kam dann ’n Stein geflogen.“ Die Aufregung ließ den ausklingenden Stimmbruch wieder auferstehen. „Die sind schuld, die können –“
    „Scheißegal, wem du die Schuld dafür gibst. Das bringt uns alle in Schwierigkeiten, kapiert?“
    „Ach, mit deinen Provo-Freunden etwa?“
    Keine zu heftige Reaktion jetzt. Es war eine Provokation, mehr nicht. Niemand außer Marie wusste, dass Dally in der Bewegung aktiv war.
    Im Gegensatz zu Lucky oder den Sullivans hatte er keine republikanische Familie als moralischen Rückhalt, keine Tradition des Widerstands. Anpassen, akzeptiert werden, nicht auffallen. Ja sagen zu allen Seiten. So hatten die Fergusons als Außenseiter in einer geschlossenen Gesellschaft überlebt, und außer bei Seán hatten sie ihre Maxime erfolgreich in ihre Kinder verpflanzt.
    „Das ist kein Spiel, Aidan. Ich versuch dir zu helfen. Du bist heute negativ aufgefallen, und die Freunde, mit denen du rumhängst, tun’s schon länger.“
    „Drauf geschissen, Dally. Warum sagen mir die Provos das nicht selbst?“
    „Genau das will ich verhindern. Komm, sei kein Idiot. Du weißt, dass die keinen Spaß verstehen mit Drogen.“
    „Ach, und jetzt soll ich meine Freunde nicht mehr sehen, nur weil sie ’n bisschen Gras rauchen? Das ist doch Scheiße, Mann!“
    „Willste, dass das die Nachbarn noch hören?“
    Verdammt. Einer dieser Sätze seiner Eltern, die er nie hatte verwenden wollen. Und schon zahlte er den Preis.
    „Mir egal, was die hören!“, brüllte Aidan aus vollem Hals. „Die Provos sollen sich um ihren eigenen Dreck kümmern – und du auch! Meine Jungs haben mich wenigstens nie in den Knast gehen lassen für sie!“
    Das verdiente eine Ohrfeige, und zwar sofort. Doch noch bevor Dally aufspringen konnte, riss Aidan die Tür auf, polterte die Treppe nach unten. Das Knallen der Haustür versetzte die Milch auf dem Schreibtisch in Schwingung.
    „Dally!“ Wie immer hatte sein Vater den Schuldigen schon gefunden. „Dallas, was zum Teufel veranstaltet ihr da oben?“
    Dally sah aus dem Fenster, gerade rechtzeitig, um Aidan die dunkle Straße hinunter verschwinden zu sehen. Zu seinen Freunden wahrscheinlich. Er begann Aidans Sandwiches zu verschlingen, eines nach dem anderen. Er mochte Sandwiches ohne Rinde, und wenn sie noch so englisch waren.
    Im Wohnzimmer wurde die Unterhaltung wieder lebhafter. So schnell ging das in dieser Familie. Kurze Irritation, dann war man vergessen. Im Spiegelbild des Fensters konnte Dally sich gleichzeitig kauen und lächeln sehen. Und Seán, der in der Tür auftauchte, sein zerrissenes perlfarbenes Hemd durch eines aus Flanell ersetzt.
    „Was ist denn mit dem Kleinen los?“ In Seáns Hosentasche klickte es; ein Feuerzeug, dessen Deckel auf und ab klappte.
    „Nichts. Der spinnt einfach.“
    Seán lachte sein komisch meckerndes Lachen und schien zufrieden mit der Antwort, machte aber keine Anstalten, wieder nach unten zu gehen.
    Das erste Mal seit Seáns Ankunft in Belfast befanden sie sich allein in einem Raum. Gefährlich. Er brachte am liebsten Themen zur Sprache, über die Dally lieber schwieg. Marie. Lucky. Sein Leben im Allgemeinen.
    „Bist du okay?“, ging Dally in die Offensive. „Wie geht’s dem Hemd?“
    Seán schnitt eine Grimasse. Noch am Friedhof hatte sich ein ganzer Schwall Blut aus seiner Nase auf das Hemd ergossen. Schon als Kind war ihm das passiert, wenn er sich über etwas besonders aufregte.
    „Sehr witzig Dally. Das hat 70 Pfund gekostet.“
    Bemerkungen über sein Aussehen verfehlten bei Seán nie die Wirkung. Das wenige Geld, das ihm zur Verfügung stand, hatte er meist für Kleidung, Schuhe oder sogar Parfum ausgegeben. Argwöhnisch beobachtet von seinem Freundeskreis, der den Grad an Männlichkeit vor allem in der Anzahl von Tätowierungen oder gewonnener Fußballspiele maß.
    Guter Anfang, jetzt bloß die Kontrolle über das Gespräch behalten.
    „Was ist mit Barbara? Warum hast du sie schon wieder nicht mitgebracht?“
    „Gibt’s ’nen Grund, warum sie ’nen Tag wie heute miterleben sollte?“
    „Ihr wohnt doch zusammen oder nicht?“ Dally

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