Wie Du Mir
möglichen Bomben zu suchen. Wenn Kate in der Gegend war, würde sie darauf bestehen zu bleiben und zu helfen, davon war Will überzeugt.
Er wurde langsamer, als er nach der richtigen Straße suchte. Eglantine Road. Zumindest das hatte er sich aus ihren Gesprächen gemerkt. Es war eine wohlhabende Gegend. Vor zwei Wochen hatte er vermutet, dass Kate die Witwe eines steinreichen Industriellen war, mit nichts anderem zu tun als den lieben langen Tag über ihre Strategie im nächsten Bridgeturnier nachzudenken.
Hier war’s. Eglantine Road, Einfahrt verboten . Will parkte am Straßenrand und machte sich auf die Suche, erklomm Stufen, entzifferte Türglockenschilder. Die Häuser waren weit großzügiger als die in seiner Gegend. Eine Kirche, eine Schule. Manche Eingänge trugen glänzend polierte Schilder von Anwaltskanzleien, Steuerberatern oder Arztpraxen. Alles unversehrt, als wäre Belfast eine ganz normale europäische Stadt. Sogar die Geräusche der Hubschrauber klangen hier weniger bedrohlich.
Obwohl Will keine Ahnung von Kates Hausnummer hatte, war er schon nach wenigen Minuten erfolgreich. Hamill, K.&K., stand auf einem ovalen Messingschildchen eingraviert. Der goldene Knopf erzeugte erst nach beträchtlichem Kraftaufwand ein Geräusch.
Sekunden vergingen, dann – so schien es Will zumindest – Minuten. Sie war nicht da. Er presste noch einmal den Daumen auf das abgegriffene Messing. Der Türklopfer glänzte in der Sonne, als gäbe es etwas zu feiern. Trotzdem blieb die Tür verschlossen. Eine Weile blieb er stehen und lauschte.
Klingel, Herzschlag, Hubschrauber, das Rascheln der Bäume im Wind.
Als er sich abwandte, stand da Kate, direkt am Treppenabsatz. Die Unbekümmertheit ihres Nachmittags am Wasserfall war verschwunden.
„William?“, fragte sie, als suchte sie in einem dunklen Raum nach ihm. Ihre Kastanien-Haare hatten den goldenen Schein verloren, und sie hatte einen Staubmantel fest um ihre schmale Gestalt gewickelt, als friere sie. Unter ihrem Arm wirkte das Paket des Wochenend-Guardian groß und sperrig.
„Hallo Kate.“ Wills Feuermal schien nur aus Nadelstichen zu bestehen.
„Was treibt Sie hierher?“ Sie stieg langsam die Treppe nach oben und kramte dabei in der Manteltasche. Die Beiläufigkeit ihrer Frage verunsicherte ihn. Was hatte er erwartet? Dass sie sich vor Dankbarkeit über sein Erscheinen in seine Arme warf?
„Kate, ich wollte …“
Sie sah ihn unverwandt an, ihre Züge regungslos, ihr Blick abwartend.
„Ich wollte mich entschuldigen. Ich war unmöglich zu Ihnen und hab’s nicht geschafft, es zuzugeben. Es tut mir leid.“ Um ihre Augen wurde es weiter, aber sie blieb stumm. „Ich weiß, dass es nicht so einfach wiedergutzumachen ist, aber ich war besorgt, wegen dieses Anschlags auf der Shankill, und Sie hatten mir doch erzählt, dass Sie immer zu Frizzell gehen …“
Kate lachte auf. Es klang nach Tränen.
„Das wissen Sie noch? Dann sind Sie also doch nicht so egozentrisch …“
Dann begann sie zu weinen, lautlos und unspektakulär. Will legte Kate die Hand auf die Schulter. Ihr Schlüsselbein war erschreckend scharf zu spüren.
„Tut mir leid, ich wollte Sie nicht aufregen … darf ich Sie auf einen Tee einladen?“ Er fühlte sich hilflos und töricht neben ihr. Wie sollte er sie trösten? Er kannte sie nicht einmal wirklich.
„Kommt nicht infrage“, schnüffelte sie in ihr Taschentuch, „wenn Sie schon unangemeldet auftauchen, dann bleiben Sie auch ein wenig.“
„Darf ich Ihre Tasche …“
„Fragen Sie nicht, tun Sie’s einfach.“
Die Tasche war aus Bast, wie eine Strandtasche. Ein schwerer Klumpen schien darin zu liegen. Er folgte Kate in den dunklen Flur.
„Das da“, sie machte eine nachlässig präsentierende Handbewegung zu der Tür links neben dem Treppenabsatz, „war früher Trishs und Daves Wohnung, bevor sie mit Helen nach Carrickfergus gezogen sind. Dave hat mir angeboten, auch dorthin zu ziehen, aber was soll ich denn dort auf dem Land? Hab ja keinen Führerschein. Außerdem laufe ich nicht davon. Jetzt kommen er und Helen zumindest jeden Samstag zum Dinner.“
Sie lachte trotzig und erklomm die Treppen in den ersten Stock, ohne sich nach Will umzudrehen, bevor sie ihm oben den Weg in eine große Wohnküche wies.
„Trish ist immer eine so gute Tochter gewesen. ‚Aber klar Ma, ich hole dich schnell, ist ja dein Geburtstag‘, hat sie gesagt. Und dann hab ich sie nie wieder gesehen. Was sind denn das für letzte Worte
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