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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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unverbraucht“, wies er auf den rechten Schulterbereich seines Pullovers hin. Sie lachte zaghaft. Rotz schoss ihr aus der Nase, und peinlich berührt holte sie ein Taschentuch aus der Hosentasche.
    „Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, William“, sagte Kate, als sie schließlich auf der Couch saßen und er nach einem der Ingwer-Kekse schielte, die sie auf einem Teller so dünn wie Eierschale drapiert hatte.
    „Nein, das wäre meine Aufgabe gewesen, die letzten zwei Wochen lang.“
    „Ach, papperlapapp“, sagte sie ernst. „Ich hab mich aufgespielt, als hätte ich die Weisheit über die Verarbeitung von Trauer mit Löffeln gefressen. Wahrscheinlich war’s Ihre Gegenwart, auf jeden Fall fühlte ich mich an dem Tag, als hätte ich alles im Griff. Und da sehen Sie, wie stark ich wirklich bin. Eine alte, hysterische Heulsuse.“
    „Ach was. Die Sache mit Frizzell hätte jeden umgeworfen“, Will reichte ihr den Keksteller und nahm sich selbst gleich zwei. Mit vollem Mund zu reden war nicht fein, machte das Thema aber weniger real. Irreal war gut. „Zumindest stellen Sie sich allem. Ich hab meine Geschichte nie jemandem erzählt. Keinem Psychiater, keinem Freund, niemandem. Ich hab immer behauptet, dass ich mich an den genauen Verlauf nicht mehr erinnern kann. Das kann doch auch nicht die Lösung sein.“
    Kate sah ihn gerührt an.
    „Ich habe meine Geschichte so oft erzählt, dass ich kotzen muss, wenn ich es noch mal mache. Und wie weit hat es mich gebracht?“ Sie spielte matt mit der goldenen Quaste eines rot changierenden Zierkissens, das sie an sich gedrückt hielt. „Trish kommt deshalb nicht wieder.“
    „Nein“, gab Will zu und nahm noch einen Schluck Tee. Er hatte ausgesehen wie normaler Tee, doch schmeckte er süß und nach fremdartigen Gewürzen. Alles in Kates Wohnung schien anders zu sein, als er es von seinen wenigen Freunden und der Familie kannte. Es war ein bisschen, als betrachtete er eines seiner Reisebücher. An der weiß getünchten Wand gegenüber der Couch tanzten die Schatten der letzten Blätter auf den Birken im Garten. Kates Lächeln war weit entfernt von der Unbeschwertheit ihrer ersten Begegnung, tat aber trotzdem gut. Er erwiderte es.
    „Kate?“
    „William?“
    „Bitte, nennen Sie mich Will.“
    „Gut.“
    Ihre Wärme schien plötzlich überall in ihm zu sein.
    „Ich … ich weiß, ich sollte meinen Müll nicht hier abladen, aber …“
    Sie schüttelte langsam den Kopf und ließ ihn nicht aus den Augen, lächelte ihr ruhiges Lächeln. Die Sonne hatte ihre Haare wieder in herbstliches Kastanienlaub entflammt, wie damals am Wasserfall. Dumpf drangen die Hubschrauber und Sirenen durchs Fenster. Und wenn Will nicht alles täuschte, trällerte irgendwo ein Kanarienvogel aus vollem Hals. Er rückte auf der Couch hin und her, sah Kate in die Augen und begann zu erzählen.

Unheimliche Begegnung der dritten Art
     
    „Pass auf Dad, gleich kommt er …“, zwischen Bens Zähnen knirschte das Popcorn. Das ganze Kino schien den Atem anzuhalten. Dann kreischte irgendwo in den vorderen Reihen ein Mädchen, bevor jedes Geräusch im Lärm der Verfolgungsjagd zwischen Mensch und Tyrannosaurus Rex unterging.
    Dally sah hinüber zu Ben, der wie hypnotisiert das Geschehen verfolgte. Überraschend hatte Marie sich bereit erklärt, ihm Ben für einen Tag zu überlassen. Also gab es das übliche Männerprogramm: Tiefkühlpizza, die Sonntagsspiele im Fernsehen, Kino. Schon wieder „Jurassic Park“. Ben war verrückt danach, und nach zehn Minuten Dauerbeschallung, warum einmal nicht genug war und ein Video in einem halben Jahr nicht dasselbe war und Ma ihn nie in Filme über seinem zugelassenen Alter sehen ließ, hatte Dally sich geschlagen gegeben. Im Grunde war ihm egal, was sie sich ansahen, solange es ihn ablenkte. Vor allem von der gestrigen Operationsbesprechung, nur ein paar Stunden, nachdem die Shankill-Bombe alle Fenster seines Hauses hatte erbeben lassen. Mit jedem Bericht im Radio, jedem News Update auf der BBC war seine Lust auf das Treffen weiter gesunken. Frauen, Männer, Kinder. Alle tot, keiner Loyalist. Das war die Bewegung, der er angehörte.
    Bei der Operationsbesprechung war davon keine Rede gewesen. Chief Doherty hatte den jungen Freiwilligen von den Nord-Belfaster Einheiten, den es gemeinsam mit den Zivilisten erwischt hatte, einen Helden genannt. Die Bombe sei unglücklicherweise zu früh losgegangen. Man habe ja alle warnen wollen. Das höchste Opfer,

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