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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Dunne
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Katastrophe vor dem abblätternden Gemälde und starrte seine Wäsche an, die halbnass im Wind wogte. Langsam begann er sie abzunehmen, umzusortieren, wieder aufzuhängen. Manuelle Arbeit – der einzig wahre Zeitvertreib vor einer Operation. Er mochte das Prickeln der Gänsehaut, die der Wind und die feucht-kalte Wäsche ihm verursachten. Fast wie Wasser. Schon lange wollte Kieran ihn überreden, einmal mit ihm ins Meer schwimmen zu gehen. Wenn Wasser, noch dazu so tief und dunkel, ihm nur nicht so unheimlich wäre.
    Das Telefon klingelte. Vielleicht war es Liam. Die Operation wurde verschoben. Mit etwas Glück sogar abgesagt. Kopfkissenbezug in der Hand, spurtete er durch Küche und Wohnzimmer in den Vorraum, riss den Hörer an sich.
    „Dally, bist du das?“
    Die Stimme walzte seinen Namen wie mit dem Nudelholz platt.
    „Sandra.“ Mehr fiel ihm erst nach einer Pause ein. „Mit dir hab ich nicht gerechnet.“
    „Nicht schlecht für eine erste Entschuldigung.“ Er konnte ihr Grinsen hören, unverschämt und unwiderstehlich. „Hör mal, ich hab morgen einen Termin in Belfast und bin schon da. Ich glaub, du hast noch was, das mir gehört.“
    Er brauchte einige Sekunden, bis er begriff.
    „Das Hemd hängt noch an der Wäscheleine. Braucht dein neuer Freund was zum Anziehen?“
    Sie kicherte. Vor seinem inneren Auge sah er sie, den Kopf leicht vornübergeneigt, die Finger einer Hand über den Lippen.
    „Willst du’s mir persönlich vorbeibringen?“
    „Ich kann heute nicht, aber morgen –“
    „Da bin ich den ganzen Tag in Besprechungen, und am Abend laden sie mich immer zu Geschäftsessen ein.“ Sie seufzte, schien etwas abzuwägen, „Ich vermisse dich irgendwie. Das mit letzter Woche hab ich echt nicht gewollt. Hast du meinen Scheck bekommen?“
    Sandra vermisste ihn. Zwar nur irgendwie, aber das reichte ihm schon.
    „Danke. Trotzdem kann ich heute Abend nicht.“
    „Macht es denn mehr Spaß, als mich zu treffen?“
    Er schnaubte.
    „Wahrscheinlich nicht.“
    „Na also“, war für sie die Entscheidung gefallen.
    Er sah auf seine Armbanduhr. Halb vier. Treffen mit Fintan und Rooster um sieben Uhr an der Ostseite des Stadtfriedhofs, wo Seamus sie abholte. Waffenübergabe, dann rüber auf die andere Seite der Peace Line. Noch vier Stunden.
    Das tust du für Lucky, Theresa und den Kleinen.
    „Wo bist du?“
    „Ich wohne im York Hotel.“ Er hörte sie wieder lächeln. „Du weißt schon, wegen der Atmosphäre.“
    Er holte Luft und schloss die Augen. Öffnete sie. Derek Morans Seidenblumen waren so staubig wie zuvor. Und Lucky war noch immer tot.
    „Dann sehen wir uns in der Hotelbar. Ich brauch sicher ’ne halbe Stunde.“
    „Ich werde warten. Bis gleich.“
    Dally legte auf und stieß die angehaltene Luft aus, sein Herz einem aberwitzigen Tempo folgend. Eine Verabschiedung hatte er vergessen.
    „Alter, uns ist beiden nicht mehr zu helfen“, eröffnete er seinem Spiegelbild, das den Kopf schüttelte. Er riss seine Jeansjacke von der Garderobe und verließ das Haus. Das Tempo seiner Schritte hielt er künstlich im Zaum. Zu viele Leute in dieser Straße hatten zu viel Zeit, zu beobachten und sich Gedanken zu machen.
    Den direkten Weg durch Loyalistengebiet konnte er nicht nehmen. Also an der Falls Road ein Taxi in die Stadt nehmen und zu Fuß weiter. Er brauchte noch ein paar Blumen, Frauen mochten das immer. Außerdem musste er Liam Bescheid sagen. Was genau, würde ihm auf dem Weg in die Stadt schon einfallen. Ihm fiel immer was ein. Und wenn das hier auch ein Fehler sein sollte, dann war es zumindest kein Mord.
     
    ***
     
    Sandra Baldauf sah aus, als hätte man sie gerade beim Biss in den Apfel der Erkenntnis ertappt. Erschrocken, aber eine für die Situation erstaunlich große Portion von Aufsässigkeit im Blick. Ihre Züge waren in einer Art amerikanisch, die Will nicht mochte: Breiter Mund, den sie beim Sprechen garantiert weiter als notwendig öffnete; die Zähne darin gerade und weiß. Ihr puppenhaftes Gesicht war von Make-up und Puder perfektioniert wie das der Darstellerinnen dieser amerikanischen TV-Serien, die er ständig miteinander verwechselte. Angenehm anzusehen, aber ohne Charakter.
    „Was hältste von ihr?“ Hugh drehte sich auf seinem Stuhl hin und her und beobachtete Will über die Gipfel seiner Aktenstapel hinweg.
    Will legte das Foto zurück in die Aktenmappe, die Hugh ihm gereicht hatte, blätterte dann durch die spärliche Einlage – ein Formular mit Sandra Baldaufs

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