Wie Du Mir
Will wischte den Gedanken beiseite.
„Was willst du von mir hören, Kate?“
Sie saugte wieder ihre Lippen nach innen.
„Ich weiß nicht … vielleicht nur, ob an meinem Gefühl was dran ist.“
Will nahm ihre fragile Hand und tätschelte sie.
„Glaub mir, es ist mehr dran, als uns beiden lieb ist.“ Dann erhob er sich.
„Isst du nichts mehr?“
„Ich muss los. Außerdem ist mir der Appetit vergangen.“
„Bitte, geh noch nicht. Das hatte ich nicht beabsichtigt. Ich wollte nur …“, sie machte eine hilflose Geste, „… an deinem Leben teilhaben und dir vielleicht ein wenig helfen. Aber wahrscheinlich vertreibe ich dich damit noch schneller als meinen Mann.“ Ihre Versuche der Schadensbegrenzung rührten Will und beschämten ihn zugleich. Einen Augenblick dachte er daran, ihr einen Kuss auf die Wange zu geben, entschied sich aber stattdessen für den dornigeren Weg.
„Nichts braucht dir leid zu tun. Jedes Mal, wenn wir zusammen sind, verwandle ich mich in einen unsagbaren Klotz. Ich sollte mich entschuldigen.“ Er ging in die Diele hinaus und griff nach seiner Jacke. „Am besten mit einem Essen. Wie wär’s mit Mittwoch?“
Sie nickte zögernd, öffnete ihm die Tür.
„Gerne.“
„Aber ich muss dich warnen. Ich bin kein begnadeter Koch.“
„Schlimmer als mein trockener Truthahn kann’s ja nicht sein“, lächelte sie und zwinkerte ihm noch zu, bevor er sich die Treppen nach unten auf die Straße machte.
Peinlich. Das hatte sie also auch noch mitgekriegt. Entweder diese Frau konnte Gedanken lesen, oder er war einfacher zu durchschauen als gedacht.
***
Wie oft sah er eigentlich noch aus dem Fenster seines Vorzimmers? Noch immer gab es nichts anderes zu beobachten als die verstaubten Seidenblumen im Wohnzimmerfenster von Derek Moran gegenüber und die vom Nordwestwind getriebenen Wolken. Um halb acht hatte Dally die Stille nicht mehr ausgehalten und war aufgestanden, hatte Ben seine Rice Crispies hingestellt und ihm beim bedächtigen Kauen zugesehen. Wie lange konnte man für gerade mal drei Löffel eigentlich brauchen?
Dann war Marie aufgetaucht. Die regengrauen Augen lebhaft glänzend, den Wagen ihrer Schwester noch mit laufendem Motor, hatte sie Ben vorausgeschickt und Dally dann zugeraunt, er und sie müssten reden, und zwar dringend. Worüber? Na, über alles.
Nach geschätzten zwei Stunden Schlaf hatte er zu wenig Energie, um ihr Konkreteres aus der Nase zu ziehen, und stimmte ihrem Vorschlag vom kommenden Mittwoch als Redezeitpunkt zu. Schönen Dank auch für die Zeit, sich auszumalen, was sie von ihm wollte. Viel Erfreuliches kam ohnehin nicht infrage.
Seitdem wanderte er ziellos durchs Haus. Sein Herz stolperte durch einen ständig wechselnden Rhythmus, sein Magen verweigerte bisher jede Nahrungsaufnahme. Er schaltete den Fernseher ein. Überall nur Sondersendungen zu diesem Massaker in Greysteel gestern Abend.
– vermutet, die drei Männer fielen in der maskierten Menge erst auf, als sie wahllos in die Menge der Partygäste feuerten. Obwohl die Rising Sun Bar der katholischen Gemeinde zugeordnet wird, waren unter den Toten auch zwei –
Er schaltete aus, wühlte durch das Musikregal. Doch schon der Gedanke an Jimi Hendrix nervte ihn. Ging nach oben ins Schlafzimmer, griff nach den seit Wochen unberührten „Tommyknockers“ von Stephen King, legte das Buch nach einer halben Seite wieder weg. Ihm graute schon vor genug. Außerdem erinnerte ihn einer der Charaktere an den Detective. Der hatte ihn ohnehin die ganze Nacht über beschäftigt. Also wieder nach unten.
Er öffnete die Tür von der Küche in den backsteingemauerten Hinterhof. Drehte den Schlüssel im eingerosteten Schloss der Tür, die seinen Hinterhof von der Seitenstraße trennte. Er hätte ihn nie stecken lassen sollen. Zwischen den Ritzen des Betonbodens zwängten sich magere Grasbüschel hervor. Marie hatte sich ein wenig Grün gewünscht, aber auf der von Dally frei gehackten Testfläche gedieh nichts außer Staub und Steinen. Also hatten sie die Außenmauer des ehemaligen Toilettenhäuschens mit einer Blumenwiese inklusive Streichelzoo bemalt. Was hatten sie über die Mutanten gelacht, zu denen Elefanten und Nashörner durch ihr mangelndes Talent verkommen waren. Das war kurz nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis gewesen. Als er noch geglaubt hatte, dass er bald einen Job finden und sich schon alles einrenken würde.
Vier Jahre später stand er wie der einzige Überlebende einer globalen
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