Wie Du Mir
dynamisches Selbst.
Als Will bei seinem Schreibtisch ein Stockwerk tiefer angekommen war, schaltete sich im Innenhof die automatische Beleuchtung ein. Eine Weile beobachtete er, wie sich Abenddunst um die Laternen im Innenhof sammelte.
Was Billy Bilson wohl machte, der keine Ahnung hatte, wie nahe er seinem Tod bereits war und wie viele Leute mehr darüber wussten als er selbst? Wahrscheinlich saß er bloß stumpfsinnig vor dem Fernseher, so wie Will und Jenny das getan hatten. Was für eine Verschwendung. Er griff nach dem Hörer seines Telefons. Vielleicht war Kate zu Hause. Er wollte sichergehen, dass er sie heute Mittag nicht schon wieder beleidigt hatte.
***
„Das ist nicht dein Ernst. Das kann ver-dammt-noch-mal nicht wahr sein.“
Liam lehnte die Stirn an das lackierte Holz des Küchenschranks, schloss die Augen. Kühl, aber nicht kühl genug. Die Schiebetür ins Wohnzimmer war zu, doch Ciaras und Cleos Kreischen bohrten sich trotzdem in seine Ohren. Rory sollte aufhören, sie so überdreht zu machen mit seinen Monster-Darbietungen.
Auch aus dem Telefonhörer lärmte es.
„Was hat JR gesagt, ich will es wörtlich hören!“
Chief Dohertys Stimme erinnerte an einen vorbeifahrenden Güterzug.
Liam fiel es schwer, das Telefonat mit JR zu rekonstruieren. Anfangs hatte er nur mit einem Ohr hingehört, wegen des infernalischen Geschreis der Mädchen. Danach war er perplex gewesen, und Dally hatte die Gunst seiner Schrecksekunde sofort genutzt und mit einem schlichten Tut mir leid und Viel Glück aufgelegt. Er hatte zu langsam reagiert, und seine Rückrufe waren wie erwartet ins Leere gegangen. Diese Version war angesichts von Dohertys Laune aber keine Option.
„Nicht viel. Hatte extreme Magenschmerzen und wollte ins Krankenhaus, um sich das ansehen zu lassen. Deshalb hat er Jaffa Street abgesagt.“
Liam verkniff die Augen in Erwartung einer weiteren Salve aus dem Hörer, doch Doherty gab nur blutrünstige Laute von sich.
„Und du glaubst ihm?“, fragte er schließlich.
Liam hatte JR und seinen lakonischen Humor immer gemocht. Wie einfach wäre es gewesen, Hanlons Verdacht gegen ihn weiter zu schüren. Aber er hatte sich entschieden, JR sein Gesicht wahren zu lassen. Besser ehrenvoll im Gefängnis als ein Verhör mit Hanlon. Besser lebendig als tot. Und wie dankte er ihm? Ließ ihn einfach hängen.
„Er hatte ’ne Operation, also ist es gut möglich. Vielleicht ist ihm auch die Sache mit Lucky auf den Magen geschlagen.“
Doherty grunzte unwillig.
„Mir scheißegal, was sich dem wohin schlägt. Brian soll ihn wieder auf Schiene bringen. Wer springt für ihn ein?“
„Sollten … sollten wir die Sache nicht besser verschieben?“
Einen Augenblick verstummte jedes Geräusch in der Leitung. Nur im Wohnzimmer polterte und brüllte und gluckste es immer noch.
„Ver-schie-ben?“
Es war kein gutes Zeichen, wenn Doherty begann, einzelne Silben zu betonen. Trotzdem – lieber vorerst seinen Weg weitergehen.
Hugh sei in einer Besprechung und nicht erreichbar, hatte die jungmännliche Stimme an der Leitung ihm mitgeteilt, werde aber schnellstmöglich zurückrufen.
Nach zehn endlosen Minuten hatte er sich durchgerungen, Doherty auch ohne Hughs Rat anzurufen. Er konnte sich keine Verzögerungen leisten. In zweieinhalb Stunden erwartete Seamus eine Einheit am Friedhof. Dann musste die Mannschaft stehen oder die Sache abgeblasen sein.
„Ich weiß nicht, Pat, ich hab plötzlich kein gutes Gefühl bei der Sache …“
„Unter welchem Stein haste eigentlich die letzten zwei Wochen verbracht, hä? Schon mal ferngesehen seit gestern? Greysteel, sagt dir das was?“
„Pat, ich –“
„Wir müssen hart und schnell reagieren, Liam, die Leute brauchen ein Zeichen, dass wir handlungsfähig sind, trotz allem. Wir werden nicht verschieben. Dieses Schwein Bilson ist heute dran.“
„Was sagt Brian dazu?“
„Dein Job ist es, Ersatz für JR aufzutreiben, nicht, dir meinen Kopf zu zerbrechen“, Doherty klang inzwischen verdächtig gefasst, wie immer, wenn seine Geduld am Ende war. Liam konnte seinen nächsten Satz schon meilenweit riechen.
„Was ist mit Sullivan II? Ich hör ihn die ganze Zeit rumkrakeelen. Der soll lieber seinen Hintern zum Treffpunkt schwingen.“
Eine logische Entscheidung. Rory war trainiert, kurzfristig verfügbar und mehr als heiß darauf, sich als besserer JR zu beweisen. Er hatte erste Erfahrung gesammelt, und der Bilson-Fall war eine Routine-Operation. Aus
Weitere Kostenlose Bücher