Wie ein Blütenblatt im Sturm
ihre Gestalt. Warum zum Teufel hatte Luden ihm bloß nichts gesagt? Aber dann fiel ihm ein, daß keiner der Gefallenen Engel Margot je kennengelernt hatte. Wie hätte Lucien, ohne ihren Namen zu wissen, eine Verbindung zu dieser Maggie knüpfen sollen? »Bitte vergib mir meine Aufdringlichkeit«, sagte er nun bemüht ge-faßt. »Aber ich fand, es war der beste Weg, deine Identität auf die Probe zu stellen.«
»Vergeben ist nicht meine Maxime«, sagte sie spöttisch und schlüpfte wieder in ihre Rolle. Es war keine Verbesse-rung.
Sie trat an das Buffet, wo Gläser und eine offene Flasche Bordeaux standen. Nachdem sie zwei Gläser voll ein-geschenkt hatte, gab sie Rafe eins. »Unsere freundlichen Gastgeber haben für alles gesorgt, was ein ungezogenes Paar sich wünschen kann. Es wäre eine Schande, es zu verschwenden. Nimm doch bitte Platz.« Sie setzte sich auf einen der Stühle, wobei sie demonstrativ das samtene So-fa mied.
Als er sich auf dem anderen Stuhl niederließ, fragte sie:
»Warum hattest du Schwierigkeiten, mich zu erkennen?
Man sagt, ich sei für eine Frau meines fortgeschrittenen Alters gut erhalten.«
»>Das Alter kann ihr nichts anhaben …« Er lächelte schwach, als er die Zeile zitierte. »Das allein verwirrt schon - du siehst kaum älter aus als mit achtzehn. Aber der eigentliche Grund, warum ich dich nicht sofort als Margot Ashton erkannt habe, war, daß man dich für tot hält.«
»Ich bin nicht mehr Margot Ashton«, sagte sie mit gespannter Stimme, »aber tot bin ich auch nicht. Wie kommst du denn auf die Idee?«
Selbst jetzt, da er wußte, daß sie lebte, mußte er sich zwingen, gleichgültig zu scheinen, als er zu sprechen begann. »Du und dein Vater wart in Frankreich, als der Frieden von Amiens endete. Man berichtete, ihr beiden seid von französischem Pack ermordet worden, das seine Waffen und Dienste Napoleon anbieten wollte.«
Ihre rauchigen Augen verengten sich in einem Ausdruck, den er nicht richtig deuten konnte. »Diese Nachricht hat England erreicht?«
»Ja, und sie hat ziemlich viel Aufruhr erzeugt. Die Öffentlichkeit war aufgebracht, daß ein ehrenvoller Armee-offizier und seine schöne, junge Tochter nur deswegen sterben mußten, weil sie Briten waren. Doch da wir uns ja bereits mit Frankreich im Krieg befanden, waren keine besonderen Sanktionen möglich.« Er studierte ihr Gesicht, während er seinen Wein trank. »Was stimmt denn an der Geschichte?«
»Genug«, sagte sie knapp. Sie stellte ihr Glas ab und stand auf. »Du bist hier, um mich zu überreden, meinen Dienst für England fortzusetzen. Erst wirst du an meine Vaterlandsliebe appellieren, dann wirst du mir eine be-trächtliche Summe Geld bieten. Ich werde beides zurückweisen. Da der Ausgang der Sache feststeht, sehe ich nicht, warum wir unsere Zeit damit verschwenden sollen.
Gute Nacht und auf Wiedersehen. Ich hoffe, du hast ein paar schöne Tage in Paris.«
Sie bewegte sich auf die Tür zu, hielt aber an, als Rafe eine Hand hob. »Bitte warte einen Moment.«
Nun, da er wußte, daß »Maggie« Margot war, hatte sich ein Teil seiner Aufgabe erledigt. Er wußte, daß sie wirklich Engländerin war, nicht französisch, nicht preußisch, italienisch, ungarisch, oder was auch immer sie zu spielen pflegte.
Abgesehen davon weigerte er sich grundweg zu glauben, daß sie ihr Land je verraten würde. Wenn britische Staatsgeheimnisse verkauft wurden, dann nicht durch sie.
Doch er war sich nicht sicher, wie er nun vorgehen sollte.
Bei der Antipathie, die Margot für ihn empfand, hätte Lucien seinen Gesandten nicht schlechter auswählen können. »Kannst du zehn Minuten für mich erübrigen, Margot?« fragte er sie. »Vielleicht habe ich etwas Überraschendes für dich.«
Einen Augenblick hing die Entscheidung in der Schwe-be. Dann zuckte sie die Schultern und setzte sich wieder.
»Ich bezweifle es, aber meinetwegen, rede. Und bitte denke freundlicherweise daran, daß ich nicht mehr Margot bin. Ich heiße Maggie.«
»Wo ist der Unterschied zwischen den beiden?«
Ihre Augen verengten sich wieder. »Das geht dich verdammt noch mal nichts an, Hoheit. Sag bitte, was du zu sagen hast, so daß ich gehen kann.«
Es war nicht leicht, bei einer solchen Feindseligkeit fortzufahren, aber er mußte es versuchen. »Warum willst du ausgerechnet in diesem Moment Paris verlassen? Das neue Abkommen wird noch vor Ende des Jahres ausge-handelt und unterzeichnet werden. Es sind vielleicht nur noch wenige Wochen.«
Sie machte
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