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Wie ein dunkler Fluch

Wie ein dunkler Fluch

Titel: Wie ein dunkler Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Webb
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umgestoßen; sie blieb kurz stehen, stellte ihn wieder aufrecht. Für ein Haustier blieb ihr keine Zeit, aber für Blumen. Jede Saison die Töpfe neu zu bepflanzen, das sei ihre Therapie, meinte ihre Mutter. Vivian gefiel einfach die Vorstellung, etwas zu pflegen.
    An der Tür angekommen, schob sie den Schlüssel ins Schloss. Sie liebte den pinkfarbenen Backstein und die weißen Säulen, die die Vorderseite ihres Hauses von den Häusern der Nachbarn abhoben. Das Haus gehörte ihr. Es war ihr sicherer Hafen. Sie war erst kürzlich eingezogen, aber es fühlte sich bereits wie ein Zuhause an. Das hatte sie gewundert, denn eigentlich hatte sie gar nicht hierherziehen wollen.

    Drinnen warf sie die Handtasche und den Schlüssel auf den Tisch neben der Tür und atmete tief durch. Sie war froh, dass der Arbeitstag zu Ende war.
    »Ich lass uns ein Steak liefern«, bot sie an, »das Rindfleisch ist sehr gut. Wie möchten Sie Ihres?«
    »Medium.«
    Sie griff nach dem schnurlosen Telefon und wählte die Nummer, die sie auswendig kannte. Während sie die Bestellung aufgab, legte sie Dienstwaffe und Schulterholster ab und ging ins Schlafzimmer, um beides, wie jeden Abend, in die Nachttischschublade zu legen. Vivian dankte der Stimme am Telefon, die ihr versicherte, dass ihre Bestellung binnen fünfundvierzig Minuten eintreffen werde. Sie würde sich vom Kühlschrank fernhalten müssen, sonst hätte sie sich einen Snack gegönnt, um durchzuhalten; sie hatte einen Mordshunger.
    »Wann kommt das Essen?« McBride saß auf dem Sofa und blätterte in einem Fotoalbum. Sein Eindringen in ihre Privatsphäre versetzte sie in Alarmstimmung. »In einer Dreiviertelstunde.«
    Er klappte das Album zu, legte es beiseite und ließ sich in die Kissen zurücksinken; das marineblaue Hemd bildete einen deutlichen Kontrast zu dem weißen Sofaüberzug und zu der weißen Wand dahinter. Bis zu diesem Augenblick war ihr gar nicht aufgefallen, wie schmucklos und weiß das Zimmer war. Alles an ihm schien sich abzuheben, ließ alles andere zurücktreten. Seine dunkle Kleidung, der Bartschatten. Seine Sonnenbräune. Und sein durchdringender Blick, den er auf sie gerichtet hielt, als wollte er sie ins Visier nehmen.
    Das ließ sie nicht zu – nicht hier, nicht jetzt, da sie mit ihm allein war. Dass sie ihn zu sich nach Hause gebracht
hatte, war riskant, aber wie Worth gesagt hatte: Der Täter beobachtete McBride. Ihn allein im Hotelzimmer zurückzulassen wäre da noch riskanter gewesen. Außerdem wäre er mit niemandem sonst mitgekommen.
    »Ich weiß, was Sie denken, Grace.« Er legte die Arme über die Rückseite des Sofas, als wollte er sie einladen, sich zu ihm zu setzen.
    Aber nein, das tat er natürlich nicht. Damit hätte er ja zugegeben, dass ein großer, harter Junge wie er allein auf sich aufpassen konnte. Und das konnte er zweifellos. Aber dieser Irre, der Treue Fan, war clever, genau wie McBride gesagt hatte. Er plante seine Züge bis ins letzte Detail. Machte keine Fehler bei der Ausführung, was darauf hindeutete, dass er weder besonders emotional beteiligt noch leidenschaftlich dabei vorging. Mit Entschlossenheit, Befriedigung, das vielleicht, aber nicht mit einem der komplizierten, aufregenderen Gefühle. Mit Hilfe des letzten Opfers und der vagen Beschreibung, die der Zeuge gegeben hatte, versuchte Quantico, ein Profil zu erstellen.
    Aber sie ahnte schon, was darin stehen würde. Besessen. Skrupellos. Er würde erst dann aufhören, wenn er bekommen hätte, was er wollte. Das Furchterregende daran war: Wusste er wirklich, was er wollte? Einem so brillanten Mann musste doch eigentlich klar sein, dass er das Federal Bureau of Investigation nicht manipulieren konnte.
    Wenn das feststand – was bezweckte er dann letztlich?
    »Sie glauben«, knüpfte McBride dort an, wo er aufgehört hatte, »dass Sie mich beschützen müssen.«
    Was er damit sagen wollte, konnte sie nur erahnen. »Ich weiß, ich weiß. Sie sind groß und stark.« Sie durchschritt
das Zimmer, nahm das Fotoalbum und stellte es ins Regal zurück, wo es hingehörte. »Sie brauchen keine Beschützerin.«
    Er erhob sich vom Sofa und trat einen Schritt auf sie zu. »Doch.«
    Plötzlich hatte er ihr persönliches Terrain betreten. Unglaublich, dass sie das zuließ.
    »Ich brauche Sie, damit Sie mich vor mir selbst schützen, Vivian Grace.« Er musterte ihr Gesicht, als hätte er nur einen Versuch, sich jedes winzige Detail zu merken. Zum Schluss konzentrierte er sich auf ihre Lippen.

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