Wie ein dunkler Fluch
dass er ihren Gesichtsausdruck und ihre Gesten einschätzen konnte. Oh, aber er würde es versuchen.
Sie setzte sich in ihren Lieblings-Korbsessel und schlang die Beine unter sich. Schließlich konnte sie es sich ja auch ebenso gut gemütlich machen. Bis Worth anrief, blieb ihr ohnehin nichts anderes übrig, als McBride hierzubehalten. Sein Feuerzeug blitzte auf, die angesteckte Zigarette glimmte auf, als er einen tiefen, lässigen Zug nahm.
»Erzählen Sie mir von Ihrem Alptraum.«
Ausgeschlossen. »Das ist persönlich, McBride.« Wo war ihr Handy? »Ich brauche mein Handy. Worth wird anrufen, und da …«
»Nicht bewegen. Ich hole es.« Er ließ die Zigarette im Aschenbecher und ging ins Haus.
Sie hätte mit ihm streiten können, aber es hätte nichts
genutzt. Ehrlich gesagt, war sie sich nicht sicher, ob man dem Mann Grenzen ziehen konnte. Er hielt sich nicht an die üblichen Regeln, und das brachte sie aus dem Gleichgewicht.
Es wehte ein kühler Wind, vielleicht lag es auch nur daran, dass ihre Haut noch feucht war, nachdem sie ihre privaten Dämonen ausgeschwitzt hatte. Dass McBride in ihrem Zimmer gewesen war, sich auch jetzt dort aufhielt, ihr Handy anfasste und alles, was er wollte, passte ihr gar nicht.
Idiot. Gott, sie hatte ihn geküsst. Sie war ein Vollidiot.
Sie hatte gehofft, mit dieser hastigen Geste die Spannung abbauen zu können, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte. Leider war ihr Versuch ganz megamäßig danebengegangen.
McBride kam zurück, legte ihr Handy wie auch seines auf den Tisch neben den Aschenbecher.
Er setzte sich wieder in den Sessel und nahm einen Zug von seiner Zigarette. »Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, Sie wollten mir von Ihrem Alptraum erzählen?«
Glaubte er tatsächlich, sie würde ihm etwas so Privates mitteilen? Er musste verrückt sein.
Als er weiter dort sitzen blieb, wiederholte sie: »Ich werde Ihnen gar nichts erzählen, McBride.«
Er drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. »Sie erzählen Ihre Kriegsgeschichte, ich erzähle meine. Ich weiß alles über Alpträume, Grace.«
Das brachte sie ins Grübeln. Lust hätte sie schon. Wie jeder neue Rekrut hatte sie all die Gerüchte gehört über das, was mit dem großen »Jäger« passiert war. Niemand
wusste was Genaues. Als dieser Auftrag kam, hatte sie den Bericht gelesen, den er über seinen letzten Fall geschrieben hatte, aber der Text war redigiert und zur Veröffentlichung freigegeben worden. Dicke schwarzen Balken verbargen große Teile der Informationen. So wusste sie, dass viel mehr hinter der Geschichte steckte, als die Oberen an die Öffentlichkeit lassen wollten.
»Tut mir leid«, gab sie zurück. »Das geht nicht.«
Er schenkte den Wein ein, reichte ihr ein Glas.
»Glauben Sie bloß nicht, Sie könnten mich mit Alkohol gefügig machen.« Sie lachte. Es klang kleinlauter, als ihr lieb war. Dieser verdammte Traum. Sie war erschüttert und verängstigt. Sie konnte es nicht ausstehen, Angst zu haben.
»Lassen Sie es mich versuchen«, sagte er.
Ihre Hand, die das Glas hielt, zitterte. Er konnte es unmöglich wissen. Niemand wusste davon, außer Worth und Pierce.
»Vergessen Sie’s.« Sie trank einen Schluck von dem Merlot, brauchte irgendeine Art der Entspannung, die … ihn nicht einschloss. Sie wehrte die Bilder ab, die die dünne Mauer zu durchstoßen versuchten, mit der sie sich vor der Vergangenheit schützte. Unter normalen Umständen beherrschte sie das sehr gut.
»Bei dem Vorfall ging es um einen Mann.«
Die grausame Stimme … das Geflüster im Dunkeln, das sie unbedingt vergessen wollte, hallte in ihrem Kopf wider. »Geben Sie’s auf, McBride«, gab sie zurück und spielte seinen Vorschlag herunter. Sie durfte nicht zulassen, dass er ihre Gefühlslage an ihrem Tonfall ablas, das würde ihn nur anspornen, weiter nachzufragen.
»Fand im oder während des Colleges statt.«
Woher wusste er das denn?
»Aha. Ich habe Recht.«
»Sie raten«, konterte sie; ihre Stimme klang sehr, sehr unsicher. Damit verriet sie sich sofort.
»Ich musste nicht raten.« Er trank einen kleinen Schluck. »Ihr Fotoalbum hat es mir verraten.«
Jetzt bloß nicht fragen, was ihr Fotoalbum ihm verraten hatte.
»Jede Menge Schnappschüsse aus der Highschool-Zeit, ein paar aus der Zeit davor und dann nichts bis zu den Fotos aus der Zeit auf der Akademie. Da fehlt eine ziemlich lange Zeit. Eine wichtige Zeit. College-Tage.«
Die Kehle schnürte sich ihr zusammen, ihr Magen rebellierte schon allein
Weitere Kostenlose Bücher