Wie ein einziger Tag
haben.
»Du hast recht. Aber er fehlt mir eben.«
»Ich mochte ihn auch gem. Er hat mich immer zum Lachen gebracht.«
»Ja, das konnte er gut.«
Sie warf ihm einen verschmitzten Blick zu.
»Er hatte ein Auge auf mich geworfen. Wußtest du das?«
»Ja, er hat's mir erzählt.«
»Wirklich? Und was hat er gesagt?« Noah zuckte die Achseln. »Na, das Übliche. Daß du hinter ihm her wärest. Daß er dich dauernd abwimmeln mußte. Du kennst ihn ja.«
Sie lachte still in sich hinein. »Hast du ihm geglaubt?«
»Natürlich«, antwortete er. »Warum nicht?«
»Ihr Männer haltet einfach immer zusammen«, sagte sie, langte über den Tisch und kniff ihm in den Arm. »Dann erzähl doch mal, was du alles so getan hast, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
Und sie fingen an, sich ihre Erlebnisse zu erzählen.
Noah schilderte, wie er New Bern verlassen, zunächst auf einer Schiffswerft, dann auf dem Schrottplatz gearbeitet hatte. Er sprach liebevoll von Morris Goldman, erwähnte die Jahre im Krieg, überging aber Einzelheiten und erzählte dafür um so ausführlicher von seinem Vater.
Allie beschrieb ihre Zeit am College, die einsamen Stunden im Atelier, dann ihre Tage als freiwillige Helferin im Lazarett. Sie erzählte von ihrer Familie und den Wohltätigkeitsveranstaltungen, an denen sie teilgenommen hatte. Freunde oder Freundinnen, mit denen sie in diesen Jahren zusammengewesen waren, blieben indes unerwähnt, nicht einmal von Lon war die Rede. Und obwohl sich beide dessen bewußt waren, vermieden sie es, davon zu sprechen.
Später versuchte sich Allie zu erinnern, wann sie sich das letzte Mal so angeregt mit Lon unterhalten hatte. Obwohl sie sich selten stritten und sie, Allie, gut zuhören konnte, war Lon nicht der Mann, der solche Gespräche liebte. Wie seinem Vater und auch ihrem wäre es ihm unangenehm, fast peinlich gewesen, seine Gedanken und Gefühle zu offenbaren. Sie hatte ihm zu erklären versucht, daß sie ihm näher sein wollte, doch es hatte nichts geändert.
Aber jetzt erst wurde ihr klar, was ihr so gefehlt hatte.
Der Himmel wurde dunkler, der Mond stieg höher, und ohne daß es ihnen bewußt war, stellte sich die alte Vertrautheit zwischen ihnen wieder ein.
Schließlich beendeten sie ihr Abendessen, das beiden sehr geschmeckt hatte. Noah schaute auf die Uhr und sah, daß es spät geworden war. Der Himmel stand jetzt voller Sterne, und das Zirpen der Grillen verstummte allmählich. Noah hatte es genossen, so mit Allie zu sprechen. Doch er fragte sich, ob er nicht zu viel von sich preisgegeben hatte, und was sie wohl von seinem Leben dachte, ob es ihr überhaupt wichtig war.
Noah erhob sich und füllte wieder den Teekessel. Sie deckten gemeinsam den Tisch ab und stellten das Geschirr in die Spüle. Er goß heißes Wasser in die Tassen, gab in jede einen Teebeutel.
»Wollen wir wieder auf die Veranda gehen?« fragte er und reichte ihr die Tasse. Sie nickte lächelnd und ging voraus. Er nahm eine Decke mit für den Fall, daß ihr kalt würde, und bald saßen sie wieder auf ihren alten Plätzen, sie mit der Decke über den Knien. Noah beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Mein Gott, ist sie schön, dachte er. Und sein Herz krampfte sich zusammen.
Denn im Laufe des Essens war etwas geschehen.
Ganz einfach - er hatte sich wieder verliebt. Das wußte er jetzt, da sie beieinander saßen. Er hatte sich verliebt in eine neue Allie, nicht in die von früher.
Aber im Grunde hatte er nie aufgehört, sie zu lieben, und das, so spürte er, war sein Schicksal.
»Es war sehr schön heute abend«, sagte er mit weicher Stimme.
»Ja«, erwiderte sie. »Wunderschön.«
Noah blickte hinauf zu den Sternen. Ihr Blinken erinnerte ihn daran, daß sie bald gehen würde, und er fühlte eine große Leere in seinem Innern. Ein Abend wie dieser dürfte nie enden. Wie sollte er ihr das sagen? Was konnte er sagen, um sie zum Bleiben zu bewegen? Er wußte es nicht. Und so entschloß er sich zu schweigen.
Die Schaukelstühle bewegten sich in gleichmäßigem Rhythmus. Und wieder huschten Fledermäuse durch die Luft. Motten umschwirrten das Verandalicht. Irgendwo, das wußte er, waren Menschen, die sich gerade liebten.
»Erzähl mir was, Noah«, sagte sie schließlich, und ihre Stimme klang sinnlich. Oder spielte ihm seine Phantasie einen Streich?
»Was möchtest du hören?«
»Sprich zu mir wie damals unter der Eiche.«
Und so sang er das Loblied auf die Nacht, rezitierte alte Verse von Whitman und Thomas,
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