Wie ein einziger Tag
zurück.
Er hatte um sieben angerufen, dann um halb neun, und jetzt Anrufe sah er wieder auf die Uhr. Zwanzig vor zehn.
Wo war sie?
Er wußte, daß sie in dem Hotel abgestiegen war, dessen Telefonnummer sie ihm gegeben hatte. Der Portier hatte es ihm vorhin bestätigt. Ja, sie hätte sich angemeldet und hätte dann gegen sechs das Hotel wieder verlassen. Wohl zum Abendessen, wie er annehmen mußte. Nein, seitdem habe er sie nicht mehr gesehen.
Lon schüttelte den Kopf und lehnte sich seufzend in seinen Sessel zurück. Er war, wie üblich, der letzte im Büro, und alles war still. Das war normal bei einem laufenden Prozeß, auch wenn alles gut lief. Sein Beruf war seine Leidenschaft, und spät abends, wenn alle gegangen waren, konnte er seine übrige Arbeit erledigen, ohne ständig unterbrochen zu werden.
Er war sicher, den Prozeß zu gewinnen. Er war ein Meister seines Fachs und wußte, wie man die Geschworenen für sich einnimmt. Das gelang ihm fast immer, und so verlor er nur äußerst selten. Teilweise hing das auch damit zusammen, daß er sich inzwischen seine Fälle aussuchen konnte und nicht mehr alles annehmen mußte. Nur wenige Anwälte in der Stadt waren so erfolgreich wie er, was sich natürlich auch auf seine Einkünfte auswirkte.
Vor allem aber beruhte sein Erfolg auf harter Arbeit. Er hatte stets größten Wert auf Details gelegt, besonders zu Anfang, als er seine Rechtsanwaltspraxis eröffnet hatte. Auf kleine, scheinbar nebensächliche Dinge, und das war ihm mit der Zeit zur Gewohnheit geworden. Diesem ungeheuren Fleiß und dieser Gewissenhaftigkeit war es zu verdanken, daß er zu Anfang seiner Karriere Prozesse gewann, die jeder andere wohl verloren hätte. Und jetzt beunruhigte ihn so ein kleines Detail. Keines, das mit dem Prozeß zu tun hatte. Nein, da gab es keine Unklarheiten. Es war etwas anderes. Etwas, das Allie betraf.
Doch, verdammt, er kam einfach nicht drauf. Als sie fortgefahren war heute morgen, war alles noch in Ordnung gewesen. Wenigstens hatte er das gedacht. Doch irgendwann kurz nach ihrem Anruf, hatte ihn etwas stutzig gemacht. So eine Kleinigkeit. Kleinigkeit.
Etwas Unbedeutendes? Etwas Wichtiges? Denk nach…
Denk nach… Verdammt, was war es bloß?
Er dachte angestrengt nach.
Etwas… etwas… etwas, das gesagt worden war?
Ja, das war's. Jetzt wußte er es. Aber was nur? Hatte Allie etwas am Telefon gesagt? Er ging das kurze Gespräch noch einmal durch. Nein, er konnte sich an nichts Außergewöhnliches erinnern.
Aber irgend etwas mußte es gewesen sein.
Was hatte sie gesagt?
Ihre Fahrt war gut verlaufen, sie hatte sich im Hotel angemeldet, war einkaufen gegangen. Wollte vielleicht noch an die Küste fahren. Hatte ihm ihre Telefonnummer gegeben. Das war in etwa alles.
Er dachte über Allie nach. Er liebte sie, daran bestand kein Zweifel. Sie war nicht nur hübsch und charmant, sie war auch der ruhende Pol in seinem Leben. Nach einem langen und harten Arbeitstag war sie der erste Mensch, den er anrief. Sie hörte ihm zu, lachte in den richtigen Momenten und hatte ein Gespür dafür, was zu hören ihm guttat.
Doch das war nicht alles; er bewunderte die Art, wie sie stets ihre Meinung sagte. Er erinnerte sich an einen besonderen Vorfall: Als sie einige Male miteinander ausgegangen waren, hatte er ihr gesagt, was er bis dahin jeder Frau gesagt hatte - daß er noch nicht bereit sei, eine echte Partnerschaft einzugehen. Anders als die ändern hatte Allie nur genickt und gesagt: »Schon recht.« Auf dem Weg zur Tür hatte sie dann gesagt: »Weißt du, was dein Problem ist? Nicht ich, auch nicht deine Arbeit oder deine Freiheit oder was du sonst glaubst. Dein Problem, das bist du allein. Dein Vater hat den Namen Hammond berühmt gemacht, und du bist sicher dein ganzes Leben lang mit ihm verglichen worden. Du bist nie du selbst gewesen. Ein solches Leben macht innerlich leer, und du suchst nach jemandem, der diese Leere wie durch ein Wunder ausfüllt. Doch niemand kann das, nur du selbst.«
Diese Worte hatten ihn nachdenklich gemacht. Wenige Tage später hatte er sie angerufen und um eine zweite Chance gebeten. Und erst nach hartnäckigem Drängen seinerseits hatte sie zögernd eingewilligt.
In den vier Jahren ihrer Beziehung war sie sein ein und alles geworden, und er erkannte jetzt, daß er sich viel zu wenig um sie gekümmert hatte. Doch der Anwaltsberuf nahm unglaublich viel Zeit in Anspruch. Und obwohl sie stets Verständnis dafür gezeigt hatte, machte er sich
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