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Wie ein einziger Tag

Wie ein einziger Tag

Titel: Wie ein einziger Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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weil er deren Bilder liebte. Von Tennyson und Browning, weil ihm ihre Themen so vertraut waren.
    Sie lehnte den Kopf an die Rückenlehne des Schaukelstuhls, schloß die Augen und spürte, wie ihr immer wärmer ums Herz wurde. Es waren nicht allein die Gedichte, nicht allein seine Stimme, die diese Wirkung hervorriefen. Es war die Summe all dessen. Sie versuchte nicht, es zu begreifen, wollte es auch gar nicht. Gedichte wurden nicht geschrieben, um analysiert zu werden, sie sollten nicht den Verstand, sondern die Gefühle ansprechen, sollten inspirieren und anrühren.
    Damals im College hatte sie mehrere Literaturvorlesungen besucht, aber schon bald war ihr Interesse erloschen, weil nichts sie inspirierte und niemand inspiriert zu sein schien, wie es ein wahrer Liebhaber der Poesie sein sollte.
    Als Noah seine Rezitationen beendet hatte, saßen sie eine Weile schweigend da und hingen ihren Gedanken nach. Der Zwang, der Allie hierhergetrieben hatte, war vergangen, und sie war froh darüber. Doch das, was sie nun statt dessen empfand - diese erregenden Gefühle in ihrem Innern -, erfüllten sie mit Angst. Sie hatte versucht, sie zu leugnen, sich vor ihnen zu verstecken, aber jetzt erkannte sie, daß sie wünschte, sie würden nie mehr vergehen.
    Es war Jahre her, daß sie so tief empfunden hatte.
    Lon konnte solche Gefühle in ihr nicht wachrufen. Er hatte es nie vermocht und würde es wohl auch nie können. Vielleicht war das der Grund, weshalb sie bisher nicht mit ihm geschlafen hatte. Dabei hatte er alles versucht, mit Blumen und Vorwürfen, und sie hatte sich immer damit herausgeredet, daß sie bis zur Hochzeit warten wolle. Er fügte sich, und manchmal fragte sie sich, wie verletzt er sein würde, sollte er jemals von der Affäre mit Noah erfahren.
    Aber es gab noch etwas anderes, das sie bewogen hatte zu warten, und das hatte mit Lon selbst zu tun. Lon war ungeheuer ehrgeizig, und die Arbeit war vorrangig für ihn. Da blieb keine Zeit für Gedichte und besinnliche Abende im Schaukelstuhl auf der Veranda. Sie wußte, das war der Grund für seinen Erfolg, und sie achtete und bewunderte ihn deshalb irgendwie auch. Doch gleichzeitig spürte sie, daß es ihr nicht genügte.
    Sie wollte etwas anderes, sie wollte mehr. Leidenschaft und Romantik vielleicht, oder auch vertrauliche Gespräche bei Kerzenschein, oder vielleicht ganz einfach, nicht nur die zweite Geige zu spielen.
    Auch Noah hing seinen Gedanken nach. Und er wußte schon jetzt, daß er diesen Abend niemals vergessen würde, daß er diesen Abend immer als etwas Besonderes in Erinnerung behalten würde. Und während er vor und zurückschaukelte, entsann er sich ihres gemeinsamen Sommers und dachte, daß alles, was sie damals tat, wie mit Spannung geladen auf ihn gewirkt hatte.
    Und wie er jetzt neben ihr saß, fragte er sich, ob sie in den Jahren, die sie getrennt gewesen waren, jemals ähnliche Träume gehabt hatte wie er. Hatte sie jemals geträumt, wieder in seinen Armen zu liegen, ihn im Mondschein zu küssen? Oder hatte sie sogar von ihren nackten Körpern geträumt, die viel zu lange voneinander getrennt gewesen waren…
    Er starrte in den Sternenhimmel und dachte an seine unzähligen einsamen Nächte seit ihrer Trennung. Und jetzt, beim Wiedersehen, kamen all diese Gefühle wieder hoch, und es war unmöglich, sie zu unterdrücken. Er wußte, er wollte wieder zärtlich mit ihr zusammen sein, wollte ihre Liebe zurückgewinnen. Das war es, was er auf der Welt am meisten begehrte.
    Doch er wußte auch, daß es ein Wunschtraum bleiben würde. Jetzt, wo sie verlobt war.
    Sein Schweigen verriet ihr, daß er an sie dachte, und sie genoß dieses Gefühl von Herzen. Sie wußte zwar nicht, was er dachte, doch das machte nichts, wenn er nur an sie dachte. Das genügte ihr.
    Sie erinnerte sich an ihre Unterhaltung beim Abendessen und fragte sich, ob er einsam war. Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, daß er jemand anders als ihr Gedichte vorlas, oder seine Träume mit einer anderen Frau teilte. Aber vielleicht wünschte sie sich das nur.
    Sie strich sich mit den Fingern durchs 11aar und schloß die Augen.
    »Bist du müde?« fragte er aus tiefen Gedanken heraus.
    »Ein bißchen. Ich muß jetzt wirklich bald gehen.«
    »Ich weiß«, sagte er und bemühte sich um einen gleichgültigen Ton.
    Sie stand nicht sofort auf, griff statt dessen nach ihrer Tasse, nahm einen letzten Schluck, spürte, wie er warm durch ihre Kehle rann. Sie sog den Abend in sich auf. Den

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