Wie ein Hauch von Zauberblüten
Kleist. Der schrieb eine Novelle: ›Michael Kohlhaas …‹«
»Kenne ich.«
»Der wollte auch nur Recht und Wahrheit – und wurde dafür hingerichtet. Wollen Sie ein moderner Kohlhaas werden?«
»Man wird mich nicht hinrichten.«
»Nicht offiziell!« Der Referent räusperte sich. »Vergessen wir die Wortspiele, Doktor. Ich habe die Sache mit dem Flugzeug noch einmal notiert und werde sie morgen vortragen. Ich habe so etwas läuten hören, daß ein Flugzeug bestellt ist und per Schiff nach Durban kommen soll. Eine viersitzige Cessna. Vielleicht ist es Ihre?«
»Das wäre fabelhaft. Soll ich Ihnen jetzt schon danken?«
»Erst, wenn sich der Propeller für Sie dreht …«
Etwas beruhigter legte Dr. Oppermann auf. In Pretoria reagierte man nüchterner und dachte, im Gegensatz zu Prusius, sachlicher.
»Ich bekomme mein Flugzeug, Pater!« sagte Oppermann später zu Mooslachner. »Pretoria hakt dahinter. Eins soll angekommen sein, eine viersitzige Cessna. Wenn das meine Maschine ist, feiern wir ein rauschendes Fest!«
»Und Prusius bekommt die Gelbsucht.« Mooslachner rieb sich voll Schadenfreude die Hände. »Dann sind wir endlich selbständig!«
»Wir?« Oppermann blickte den Pater vorwurfsvoll an. »Was soll das heißen?«
»Natürlich fliegst du mich zu meinen entfernten Buschkapellen, mein Sohn!« sagte Mooslachner feierlich. »Denk daran: Du schwebst unter dem Himmel und bist ihm ausgeliefert.«
Man soll mit einem Priester nie über Begriffe streiten.
Mit größter Mühe gelang es Dr. Oppermann nach vier Tagen, neun schwerkranke Ovambos mit dem Wagen, der Medikamente und Verbandsmaterial brachte; zurück nach Windhoek ins Hospital zu schaffen. Es waren zwei Krebskranke, ein Milztumor und ein schwerer Fall von Dystrophia musculorum progressiva. Die neun Tbc-Fälle bekam er nicht los; man war der Ansicht, die könne man auch in Outjo behandeln.
Nach einer Woche hatten die Ovambos mit Hilfe der schwarzen Bevölkerung von Outjo neue, feste Hütten gebaut. Sechs Tage lang wimmelte es um die Station von schwarzen Leibern, die Bretter, Balken, Leisten, Steine, Drahtgeflechte, Stahlträger, Zementsäcke, Sand und Kalk schleppten. Fünf Hütten wurden auf einmal gebaut, um jede Hütte ballten sich die Menschen wie riesige Termiten, die Luft war gefüllt mit Rufen, Schreien, Flüchen und rhythmischen Gesängen. Es schien unvorstellbar, daß aus diesem Gewimmel jemals etwas Vernünftiges entstehen könnte. Aber dann sah man, wie die Wände hochgezogen wurden, wie die Dachbalken sich fügten, wie die Fenster in die Höhlen paßten und die Welleternitplatten festgeschraubt wurden.
Am vierten Tag erschien Prusius, betrachtete den wild bewegten Bauplatz und hielt Mooslachner an, der schwitzend, einen Zementsack schleppend, an ihm vorbeischwankte.
»Ist der bezahlt?« fragte Prusius.
Mooslachner ließ den Sack von der Schulter genau vor Prusius' Füße plumpsen und schlug den Zementstaub von den Händen.
»Er ist!« donnerte er. »Was fällt Ihnen ein?! Der Zement stammt aus meinem Lager!«
»Bitte – dann nichts gegen diesen Sack Zement. Gott segne ihn!« Prusius grinste fröhlich. »Wissen Sie nicht, daß gegen Dr. Oppermann einige Anzeigen laufen? Wegen Diebstahl und Hehlerei? Zwei Bauunternehmer, ein Sägewerk und ein Glaser behaupten, über die Hälfte des Materials, das da verbaut wird, sei von ihnen gestohlen. Die schwarzen Arbeiter haben zwar gekauft, aber nach der afrikanischen Methode: Sie bezahlen zehn Nägel und nehmen hundert mit!«
»Und was fehlt Ihnen?« knurrte Mooslachner. Er hatte so etwas geahnt, seine Befürchtung aber Oppermann verschwiegen. »Was hat man Ihnen geklaut?«
»Nichts.«
»Sie haben keine Anzeige erstattet?«
»Warum? Bei mir haben die Kaffern gegen Quittung fünf Waschbecken gekauft. Mit Armaturen. Bezahlten in bar! Es liegt mehr Geld unter den Matratzen, als man glaubt.«
»Ich werde heute abend mit den angeblich Bestohlenen sprechen«, sagte Pater Mooslachner abweisend. »Wenn sie den Diebstahl nachweisen können, bekommen sie ihr Geld!«
»Von wem?«
»Von mir und der Regierung! Das wird Pretoria regeln.«
»Pretoria?« Prusius' Blick wurde unsicher. »Das ist mir neu.«
»Wie mich das freut, daß Ihnen etwas neu ist!« sagte Mooslachner, wuchtete den Zementsack wieder auf seine Schulter und spuckte an Prusius vorbei in den Staub. »Rufen Sie an, erkundigen Sie sich. Und wenn Sie ein guter Christ sind, dann stiften Sie jetzt zwei Scheißhäuser, die fehlen
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