Wie ein stummer Schrei
nach”, sagte er leise. “Ich hole euch morgen um zehn Uhr ab.”
“Wir werden rechtzeitig fertig sein”, versprach sie und öffnete ihm die Tür.
Auf der Schwelle blieb Trey stehen und drehte sich um. “Du musst dir keine Gedanken machen. Ich werde deinen Großvater nicht daran erinnern, wer ich bin und was zwischen dir und mir war. Das gehört der Vergangenheit an, okay?”
Olivia nickte, auch wenn sie ihm zu gern widersprochen hätte. Ihre Erinnerungen an ihn verband sie nur mit Liebe und Leidenschaft – und mit der Erkenntnis, dass er für sie nie der Vergangenheit angehören würde.
Schulterzuckend erwiderte sie: “Zum Teil ja. Aber solange wir nicht wissen, wer das tote Mädchen war und wer es auf dem Gewissen hat, wird die Vergangenheit uns nicht in Ruhe lassen.”
Es gab nichts, was Trey hätte sagen können, um ihr Mut zu machen. Darum verließ er schweigend das Haus und stieg in seinen Wagen ein. Als er die Auffahrt hinunterfuhr, sah er in den Rückspiegel und bemerkte, dass Olivia noch immer in der offenen Tür stand. Er hätte schwören können, dass sie weinte.
4. KAPITEL
S eit zwei Wochen war Foster Lawrence inzwischen aus dem Gefängnis, aber an ein Leben in Freiheit hatte er sich noch nicht gewöhnen können. Egal wo er sich aufhielt – sobald er einen Türknauf zu fassen bekam, regte sich für einen Sekundenbruchteil Panik in ihm, weil er fürchtete, die Tür könnte verschlossen sein. Nach fünfundzwanzig Jahren hinter Gittern war er auch nicht mehr in der Lage, nachts das Licht auszumachen, außerdem aß er viel zu hastig.
Die Welt, wie er sie kannte, existierte nicht mehr. Jetzt wurde alles von Computern und neuen Technologien beherrscht. Es gab kleine Mobiltelefone, mit denen man Fotos machen konnte und die Klingeltöne von Bach spielten. Jungs trugen Sweatshirts und Jeans, die drei Nummern zu groß waren, während sich die Mädchen so spärlich mit Stoff bedeckten, dass er sich wunderte, wie ihre Eltern sie so überhaupt aus dem Haus ließen. Fernseher waren auf einmal flach, und mit Sex wurde so gut wie alles verkauft – von Zahnpasta bis hin zu Backmischungen.
Er kam sich in seinem eigenen Land wie ein Fremder vor. Doch mit dem, was in Dallas auf ihn wartete, würde er bald diesen neuen Luxus genießen können. In den letzten zwei Wochen achtete er stets darauf, dass niemand ihn verfolgte. Er hoffte, die Polizei hatte ihn und das Geld vergessen, das nie gefunden worden war. Mit seinem unauffälligen Job als Tellerwäscher in einem Restaurant konnte er sich eine Weile über Wasser halten, und wenn er sich wirklich sicher war, dass er nicht behelligt wurde, würde er kündigen und sich eine Busfahrkarte nach Dallas kaufen.
“Platz machen”, rief der Busfahrer, als er die Gepäckfächer öffnete, damit die Reisenden ihre Taschen und Koffer an sich nehmen konnten.
Da Foster sein ganzes Hab und Gut in einem Rucksack mit sich trug, konnte er sich diese letzte Phase einer langen und unbequemen Busfahrt ersparen. Er musste nur das Geld holen, das er versteckt hatte, und dann sofort verschwinden.
Er verließ den Busbahnhof und sah hinauf zum Himmel. Die Sonne war bereits untergegangen, und bald würde es dunkel werden. Er hatte nicht vor, die Nacht auf der Straße zu verbringen. Obwohl er fast fünfhundert Dollar bei sich hatte, waren seine Ansprüche so niedrig, dass er jedes noch so einfache Zimmer nehmen würde.
“Taxi gefällig, Mister?”
Foster drehte sich um und sah einen kahlköpfigen, untersetzten Mann neben einem Taxi stehen. Die Geldausgabe erschien ihm zwar wie ein Luxus, doch zum einen war seine Million fast schon in Reichweite, zum anderen wurde es rasch dunkler.
“Ja, warum eigentlich nicht?” erwiderte er, nahm den Rucksack und warf ihn auf den Rücksitz, dann stieg er ein.
“Wohin?”
“Ich brauche für ein paar Tage ein Zimmer. Nicht zu weit von Downtown entfernt, und möglichst billig.”
“Gut, Sir”, sagte der Fahrer und gab Gas.
Als er sich auf seinem Platz zurücklehnte, wurde er etwas ruhiger. Alles würde gut ausgehen. Er war in Dallas und damit zurück an dem Ort, an dem alles angefangen hatte. Ihm war es nur um einen Neuanfang gegangen, und diesen Wunsch hegte er nach wie vor. Mit dem versteckten Geld würde er ihn verwirklichen können.
Einige Minuten später stoppte das Taxi, Foster sah aus dem Seitenfenster. Es war kein Vier-Sterne-Hotel, allerdings war er auch kein Vier-Sterne-Gast, der über ein entsprechendes Konto verfügt hätte.
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