Wie ein stummer Schrei
bereits zu spät gewesen war. Von einem toten Kind jedoch hatte er bislang noch nichts gewusst.
Auf einmal kam ihm das Zimmer nicht mehr wie eine Zuflucht, sondern wie eine Zelle vor. Der Typ am Empfang und die Nutte hatten sein Gesicht gesehen, damit waren seine Tage gezählt. Er sprang auf und zog sich in aller Eile an, bis er Herr über seine Panik wurde. So konnte er nicht das Hotel verlassen. Im Fernsehen hatte man ein aktuelles Foto gezeigt, so dass man ihn zweifellos auf der Stelle erkennen würde. Wenn er im Gefängnis eines gelernt hatte, dann Geduld. Zu viel stand auf dem Spiel, als dass er sich einen Fehler erlauben konnte. Anstatt wegzulaufen, überlegte er, welche Möglichkeiten ihm blieben.
Aber das durfte doch nicht wahr sein! Das war einfach nicht fair! Er hatte seine Strafe abgesessen, doch es sah so aus, als wollte Texas noch immer keine Ruhe geben. Am besten hätte er auf der Stelle den Bundesstaat verlassen, doch das ging noch nicht. Erst musste er erledigen, weswegen er hergekommen war. Nur wie? Dank dieser Nachrichtensendung würde er unweigerlich irgendwem auffallen. Einige Minuten später wurde ihm bewusst, dass die Behörden nach einem grauhaarigen Mann mit Pferdeschwanz und Vollbart suchten. Die Zeit war gekommen, sein Äußeres zu verändern.
Mit Hilfe von Rasierschaum und Einwegrasierer trennte er sich von seinem Bart, und mit einem Messer schnitt er sich den Pferdeschwanz ab. Seine untere Gesichtshälfte entpuppte sich nach der Rasur als sehr blass, und seine Haare sahen aus, als wäre er unter einen Rasenmäher geraten. Doch das genügte fürs Erste, um nicht erkannt zu werden, wenn er das Hotel verließ. War er erst einmal draußen, konnte er sich darum kümmern, sein Aussehen nachhaltiger zu verändern.
Nachdem er gepackt hatte, verließ er das Zimmer und ging zur Treppe, blieb dort aber stehen. Womöglich hätte er auch etwas anderes anziehen sollen, um von dem Typen am Empfang nicht wiedererkannt zu werden. Da fiel ihm ein leerer Pizzakarton auf, den jemand einfach ins Treppenhaus geworfen hatte. Foster hob ihn auf und hielt ihn so, als befinde sich noch etwas zu essen darin, dann ging er nach unten.
Im Parterre angekommen, sah Foster, wie der Mann kurz aufblickte, den Pizzakarton bemerkte und sich sofort wieder mit etwas anderem beschäftigte. Wie erhofft hielt der Kerl ihn für einen Pizzaboten, der das falsche Hotel erwischt hatte und wieder auf dem Weg nach draußen war.
Kaum war er auf der Straße angekommen, warf er den Karton fort und beschleunigte seine Schritte. Im Drugstore an der nächsten Ecke deckte er sich mit dem Nötigsten ein, dann hielt er Ausschau nach einem anderen Hotel.
Ein paar Blocks weiter wurde er fündig, fand am Empfang diesmal eine Frau vor, die sich so wenig um ihren Gast scherte wie zuvor der tätowierte Kerl, und bezahlte für eine Nacht. Wenn nichts mehr schief ging, würde er in ein paar Tagen sein Geld haben und längst verschwunden sein, ehe ihm jemand auf die Spur kam.
“Hey, was ist los mit dir, Trey?” fragte Chia Rodriguez, als er von Lieutenant Warrens Büro an seinen Schreibtisch zurückkehrte und frustriert auf seinen Stuhl sank.
“Nichts, außer dass ich meinen Beruf hasse”, gab er zurück.
“Geht es um den Sealy-Fall?”
Er nickte.
“Also wenn ich mir vorstelle”, fuhr sie seufzend fort, “so etwas würde mit einem meiner Kinder geschehen. Jeden Abend schaue ich sie an und bete, dass ich in der Lage sein werde, sie lange genug zu beschützen, bis sie erwachsen sind.” Sie verzog den Mund. “Es gibt sogar Nächte, da liege ich stundenlang wach, weil ich Angst habe, sie könnten einfach verschwinden, wenn ich die Augen zumache. Dann lege ich mich in den Flur vor die Tür zum Kinderzimmer und versuche, dort zu schlafen. Ziemlich verrückt, nicht?”
Trey sah zu Chia. “Das ist nicht verrückt, sondern verdammt unheimlich. Du solltest dich als Sprecherin für Verhütungsmittel engagieren lassen.”
Einen Moment lang sah sie ihn einfach nur an, dann sagte sie: “Ach, Bonney, du weißt doch, wie wir Frauen sind. Entweder lässt das PMS uns ausrasten, oder es ist irgendein anderer Mist. Außerdem wäre es ein Verbrechen, wenn Männer mit so einem grandiosen Hintern, wie du ihn hast, sich nicht fortpflanzen würden.”
Er grinste sie an, weil er wusste, dass Chia diese Reaktion brauchte. In Wahrheit war ihm aber nicht nach Grinsen zu Mute. Er konnte ihre Ängste nur zu gut verstehen, und am liebsten hätte er sie in den
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