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Wie ein stummer Schrei

Wie ein stummer Schrei

Titel: Wie ein stummer Schrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dinah McCall
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Asservatenkammer begab, warf der diensthabende hagere Sergeant ihm einen neugierigen Blick zu, als er sich eintrug.
    “Hey, Bonney, hast du wieder mal eine Frau aus einer misslichen Lage gerettet?” fragte der Mann.
    “Was ist los mit dir, Bodine? Eifersüchtig?” gab Trey zurück.
    “Nein, bin ich nicht”, entgegnete Bodine. “Es war nur eine Frage.”
    Trey grinste ihn an. Er wusste, dass Russell um jede Frau, die nicht seine eigene war, einen weiten Bogen machte. Jeder bei der Polizei kannte seine Frau Peggy, und jeder wusste auch von dem Messer.
    In sechs Monaten würde Russell Bodine pensioniert werden, er war seit fast vierzig Jahren verheiratet, und das einzige Mal, dass er seine Frau betrogen hatte, war es bekannt geworden, noch bevor er nach Hause gekommen war. Er hatte sich ins Bett fallen lassen und war wieder aufgewacht, als er in seinem Schritt die kalte Klinge eines Messers spürte.
    Wortlos begann Peggy, ihm mit dem Messer die Schamhaare zu rasieren, während er sie anflehte, sie möge ihm nicht wehtun. Er versprach ihr hoch und heilig, ihr nie wieder untreu zu werden, wenn sie ihm bloß seine Männlichkeit beließ. Das tat sie auch, allerdings sorgte sie dafür, dass er sein Versprechen nie vergaß. Das Letzte, was er jeden Abend sah, bevor er das Licht im Schlafzimmer ausmachte, war eben jenes Messer, das gegenüber seinem Bett an der Wand hing.
    “Was brauchst du denn?” fragte Russell, während er Trey die Tür aufschloss.
    “Die Sachen aus dem Koffer vom Lake Texoma, der mit dem toten Kind.”
    Russell schüttelte den Kopf und ging zwischen den Regalen vor ihm her. “Muss schon ein richtiger Mistkerl gewesen sein, der einem Baby so etwas antut”, sagte er und zog einen Karton hervor, den er auf einem Tisch abstellte. “Brauchst du die Sachen länger?”
    “Ich weiß nicht mal, ob ich sie überhaupt brauche. Wenn das Labor bei den DNS-Tests nicht findet, haben wir gar nichts in der Hand. Von daher möchte ich nur sicher gehen, dass wir nicht doch vielleicht etwas übersehen haben.”
    “Na, dann viel Glück”, gab Russell zurück und fügte an: “Meine Bemerkung vorhin war übrigens nicht so gemeint.”
    “Ist schon okay”, sagte Trey.
    Russell wandte sich ab, ging wieder nach vorn und ließ Trey mit der Kiste allein. In ihr befand sich der Koffer, ferner lagen vier kleine Plastikbeutel darin, die beschriftet und mit Datum versehen waren. Vier Überreste eines jungen Lebens, das viel zu früh ausgelöscht worden war.
    Er betrachtete aufmerksam den Koffer, kam jedoch zum gleichen Schluss wie vor ihm Jenner. Der Koffer sah aus wie Tausende andere, die in den siebziger Jahren verkauft wurden, und wies kein Detail auf, das geholfen hätte, den damaligen Eigentümer zu identifizieren. Trey stellte ihn zur Seite und widmete sich den Plastikbeuteln.
    Im ersten von ihnen befand sich eine einzelne Socke, die gerade mal so lang war wie sein Zeigefinger. Ursprünglich musste sie weiß gewesen sein, hatte jetzt aber eine schmutzige Färbung angenommen. Am oberen Rand war ein kleiner gelber Punkt zu sehen. Bei genauem Hinsehen kam Trey zu der Ansicht, dass es sich um den Rest einer gelben Ente handeln musste, die aufgestickt worden war. Es brachte ihn aber nicht weiter.
    Der zweite Beutel enthielt ein kleines, rosafarbenes Nachthemd. An der Schulter und über den Rücken verteilt waren mehrere dunkle Flecken zu sehen, vermutlich getrocknetes Blut. Er strich über die Stelle, an der das Labor ein Stück Stoff herausgeschnitten hatte, um diese Flecken genauer zu untersuchen. Ihm fiel auf, dass das Etikett abgetrennt worden war, doch aus Erfahrung wusste er, viele Menschen taten das, weil diese oftmals kratzten. Er selbst machte das bei jedem neuen T-Shirt, daher war das Fehlen kein Indiz, das auf den Täter hätte hindeuten können.
    Er legte den Beutel zur Seite und griff nach dem dritten, der zugleich der größte war, da sich in ihm ein Großteil einer Babydecke befand. Der Stoff hatte einen blassen Roséton und war verschmutzt, außerdem waren die ausgefransten Überreste einer Einfassung aus Satin zu erkennen. Es gab kein Herstelleretikett und keinerlei Merkmale, die ihm irgendwie hätten helfen können, das tote Baby zu identifizieren.
    Auch die Decke legte er weg und widmete sich dem vierten und letzten Beutel. Das Holzkreuz darin war schätzungsweise dreißig Zentimeter groß und eindeutig handgemacht. Er holte es heraus und suchte vergeblich nach einem Hinweis auf den Künstler, der es

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