Wie ein stummer Schrei
ist.”
“Danke”, sagte Marcus. “Es ist nur schade, dass Olivia heute nicht bei uns sein kann.”
Carolyn spielte nervös mit dem Besteck. “Ich kann es noch immer nicht fassen, was ihr passiert ist. Das ist so entsetzlich. Es stimmt doch, dass irgendein Verrückter sie völlig ohne Grund angegriffen hat, nicht wahr?” Für sie war es immer noch eine unglaubliche Tat.
“Im Wesentlichen ja”, erwiderte er. “Er hatte Wahnvorstellungen und Schuldgefühle wegen eines früheren Verbrechens, und er dachte, wenn er Olivia tötet, würde Gott ihm seinen ersten Fehler vergeben.”
Terrence’ Miene verfinsterte sich. Keiner von beiden hätte es zugeben wollen, doch mit zunehmendem Alter waren sich die Männer immer ähnlicher geworden. Carolyn ließ es sich jedoch nicht nehmen, dies anzusprechen. “Sieh ihn dir nur an”, sagte sie und zeigte auf ihren Mann. “Ihr zwei könntet Brüder sein.”
Als Terrence wegsah, legte Carolyn eine Hand auf Marcus’ Arm und senkte ihre Stimme. “Das muss doch schlimm für dich sein, das mit Michael … du weißt schon …”
“Sie werden dir einige Fragen stellen”, entgegnete er.
“Mir? Wieso denn?”
“Weil ich den Fehler gemacht habe, zu erwähnen, dass du mit Michael gut befreundet warst. Detective Trey Bonney hofft, von dir etwas zu erfahren, was ihn zu der Mutter des anderen Babys führen könnte.”
Carolyn wurde erst rot, dann kreidebleich.
“Es tut mir Leid, Carolyn, aber ich wollte dich vorwarnen.”
Terrence zog wütend die Augenbrauen zusammen. “Hör zu, Marcus. Nur weil …”
“Nein, Liebling”, fiel sie ihm ins Wort. “Hier ist etwas Schreckliches passiert, und ich bin froh, wenn ich ein wenig zur Aufklärung beitragen kann. Aber um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass ich wirklich behilflich sein kann.”
“Trotzdem danke”, sagte Marcus. “Oh, da kommen ja die Getränke.”
“Die Vorspeisen sehen köstlich aus”, warf Carolyn ein.
Sie nahm eine halbe Scheibe Toast mit Roastbeef und einem Klecks Meerrettich darauf und biss ab. “Mmh, das schmeckt so gut.” Sie nahm eine zweite Scheibe und hielt sie Terrence vor. “Mund auf.”
Er gehorchte und gab einen angenehm überraschten Laut von sich, während Marcus ihn zum Teufel wünschte.
Der Rest des Abends verstrich ebenso belanglos wie er begonnen hatte.
Anna weinte. Sie wusste weder, wo sie war, noch wie sie dorthin gekommen war. Immer wieder sah sie in den Schrank und betrachtete die Kleidung, die dort auf den Bügeln aufgehängt war. Ihr Blick wanderte über die Schublade, in der ihre Unterwäsche zusammengefaltet lag. Sie war sich sicher, dass diese Dinge ihr gehörten, da sie sich erinnern konnte, sie gewaschen zu haben. Wo allerdings die Waschmaschine und der Trockner geblieben waren, wusste sie nicht. Sobald sie draußen danach suchen wollte, ließ man sie nicht von dieser Etage fort.
Sie kam sich vor wie eine Gefangene, dabei hatte sie doch nichts verbrochen. Von jedem bekam sie zu hören, sie sei ein so guter Mensch. Außerdem suchte sie noch immer ihre kleine Olivia. Sie hatte Mr. Marcus versprochen, mit ihm nach Hause zu gehen und auf Olivia aufzupassen, doch nirgends war eine Spur von ihr. Sie hatte telefonieren wollen, aber diese Frau bestand darauf, dass sie in ihr Zimmer zurückkehrte, dann nahm sie Annas Arm und brachte sie zurück.
Nun saß Anna im Dunkeln auf der Bettkante und betrachtete die ständig wechselnden Bilder im Fernsehen, ohne zu begreifen, was sie dort sah. Erst als die Nachrichten begannen und über ein Feuer in einem Hotel in Downtown berichtet wurde, stöhnte sie leise auf. Sie ahnte, dass diese Bilder etwas mit ihr selbst zu tun haben könnten.
Es war ein großes Feuer. Menschen standen auf einem Dach und schrien, während ein Hubschrauber sie nach und nach in Sicherheit brachte.
Bei Anna zu Hause hatte es auch gebrannt. Nein, das war nicht bei ihr zu Hause, sondern woanders gewesen. Dort war auch die Feuerwehr gekommen, um das Feuer zu löschen. Sie schloss die Augen und versuchte, sich zu erinnern.
Rose war mit ihr in der Küche, sie kochten, der Fernseher lief. Rose sah das Feuer auch, es hatte das ganze Gebäude erfasst.
Gänseblümchen. Da waren Gänseblümchen an der Wand.
Ich nahm sie von der Wand und legte sie hin. Gänseblümchen sollen nicht an der Wand hängen. Sie sollen im Wasser stehen. Aber da war kein Wasser, nur Feuer.
Anna ließ sich von der Bettkante gleiten und kroch in eine Ecke des Zimmers, dann drehte sie sich
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