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Wie ein stummer Schrei

Wie ein stummer Schrei

Titel: Wie ein stummer Schrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dinah McCall
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sonst?”
    Rose saß bei ihrer Schwester im Wohnzimmer und versuchte, die laute, aufdringliche Stimme ihres Schwagers zu ignorieren. Bis zum heutigen Tag konnte sie nicht verstehen, warum ihre Schwester diesen Mann geheiratet hatte. Als Kinder waren sie die Lieblinge der Familie gewesen, als Jugendliche hatten ihnen so viele Möglichkeiten offengestanden, und nun? Sie war die Köchin eines reichen Mannes, ihre Schwester musste sich mit einem Säufer abgeben.
    Es kam nur selten vor, dass Rose über die Vergangenheit nachdachte. Dabei war alles so gut gelaufen. Da war ein Mann gewesen, der sie liebte – jedenfalls hatte sie das geglaubt –, das Versprechen auf ein glückliches Leben. Wahr geworden war davon nichts.
    Sie faltete die Hände und legte sie in den Schoß, dann wartete sie lächelnd darauf, bis ihr Schwager eingeschlafen war, der ein Stück weit von ihr entfernt in seinem Sessel saß. Rose war bestürzt über das, was geschehen war. Sie hatte Mr. Marcus versichert, Anna unter Kontrolle zu haben. Kaum aber drehte sie der Frau den Rücken zu, steckte die das Haus in Brand. Am liebsten hätte sie geheult. Sollte man ihr kündigen, wäre sie am Boden zerstört. Doch so war Mr. Marcus nicht, sagte sie sich. Man würde ihr nicht die Schuld geben für das, was diese verrückte Frau getan hatte.
    Rose wippte mit dem Schaukelstuhl sanft vor und zurück, der bei jeder Bewegung leise knarrte. Eine der Holzstreben saß locker und musste geleimt werden. Sie selbst hätte das längst erledigt, und sie verstand nicht, warum ihre Schwester so nachlässig war. Doch dann wanderte der Blick zu ihrem Schwager, der schief in seinem Sessel hing und schnarchte. Wenn sie mit einem solchen Mann hätte leben müssen, wäre ihr ein knarrender Schaukelstuhl vielleicht auch egal gewesen.
    “Rose … das Essen ist fertig! Kommst du?”
    Sie zuckte zusammen. Ihre Schwester musste nicht so laut rufen, schließlich befand sie sich im Nebenzimmer. Doch Rose konnte froh sein, hier untergekommen zu sein, da wollte sie sich nicht auch noch beklagen. Sie stand auf und ging in die Küche, während sie versuchte, jeden Gedanken an die Frau zu verdrängen, die ihre Welt in Brand gesteckt hatte.
    Trey war seit Stunden auf und ging immer wieder jedem Detail über das tote Baby nach. Er hatte recherchiert, was es über den Kofferhersteller zu erfahren gab, war auf die Suche nach Künstlern gegangen, die mit Holz arbeiteten und einen Hang zum Religiösen aufwiesen, und er hatte die Akte über Foster Lawrence durchforstet.
    Die Ermittlungen hatten ergeben, dass Lawrence das jüngste von fünf Kindern gewesen war. Wie es schien, hatte die alleinstehende Mutter ihren Lebensunterhalt dadurch bestritten, dass sie Kinder zur Welt brachte, denn mit jedem Baby machte die staatliche monatliche Unterstützung einen deutlichen Sprung nach oben.
    Das erste Kind war ein Junge namens James, der mit sechzehn bei einem Bandenkrieg umkam. Es folgte ein Mädchen namens Cheryl, mit zweiundzwanzig Jahren durch eine Überdosis ins Koma gefallen und seitdem in einer Einrichtung in Cleveland untergebracht. Die nächsten beiden Kinder waren Zwillinge, Laree und Sheree. Was mit ihnen nach dem achtzehnten Lebensjahr geschehen war, wusste er nicht. Foster war der jüngste Sohn, der sich bis auf ein paar kleine Ausreißer in seiner Jugend nie etwas zuschulden hatte kommen lassen. Bis zur Sealy-Entführung.
    Für Trey ergab das keinen Sinn. Entführung war ein Kapitalverbrechen. Wer sich als Krimineller auf so etwas einließ, konnte üblicherweise auf ein langes Vorstrafenregister zurückblicken. Dass jemand aus heiterem Himmel ein solches Verbrechen begeht, war keineswegs normal – es sei denn, er rutschte tatsächlich irgendwie hinein. Bisher hatte er noch keine Erklärung für dieses seltsame Verhalten gefunden.
    Manchmal kam es vor, dass ein Elternteil das eigene Kind entführte, das nach der Scheidung dem anderen Partner zugesprochen worden war. Doch jemand wie Foster Lawrence würde sich nicht in eine solche Sache hineinziehen lassen, wenn es nur um das Geld ginge. Trey musste ihn dazu bringen, ihm alles zu sagen.
    In der Nacht hatte er sogar von dem Fall geträumt und überlegt, welchen Grund es geben könnte, dass ein halbwegs anständiger Kerl wie Foster Lawrence in einen Fall von Mord und Entführung verstrickt wird.
    Dieser Gedanke beschäftigte Trey, als er aufwachte. Er wusste nur, was mit einer Schwester und einem Bruder geschehen war, über die Zwillinge lag ihm

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