Wie entführt man einen Herzog?
eigentlich voller Zuversicht entgegenschauen können. Doch tatsächlich spürte sie, sobald sie ihr Elternhaus betrat, wie Furcht in ihr aufstieg. Hector hatte ihr ständig Vorhaltungen und Vorschriften gemacht, war nie mit ihr zufrieden gewesen. Seit Jahren hatte sie keine entspannte Unterhaltung mehr mit ihm führen können. Ihr wurde bewusst, dass sie sich seit dem Tod ihres Vaters oft wie eine Gefangene gefühlt hatte.
Dieses bedrückende Gefühl stellte sich jetzt zum Glück nicht ein. Es war eher, als beträte sie ein fremdes Haus, in dem sie sich nicht auskannte. Dabei befanden sich noch fast all ihre Bücher und die meisten ihrer Kleider hier. Nun, wenn sie ihre Besitztümer erst abgeholt hatte, würde es keinen Grund mehr geben, hierher zurückzukehren. Mit ihrer Eheschließung hatte sie Hector und ihr altes Leben ein für alle Mal hinter sich gelassen.
Sie schickte Jem und einen weiteren Diener in die Bibliothek, damit sie ihre Bücher und Papiere zusammenpackten. Dann läutete sie nach einem der Hausmädchen, das sich um all das kümmern sollte, was sich im Schlafzimmer befand. Sie war gerade mit ihren Erklärungen am Ende, als Hector in den Raum trat. Er eilte auf sie zu und griff nach ihrem Arm.
„Penny! Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Ist dir eigentlich klar, wie sehr es deinem Ruf schadet, wenn du London nur in Begleitung eines Bediensteten verlässt? Eine junge Dame reist nicht allein! Für die Zukunft verbiete ich dir solche Unternehmungen aufs Strengste. Solltest du es wagen, dich über meine Anweisungen hinwegzusetzen, so werde ich …“
Sie entzog ihm ihren Arm und unterbrach seine Strafpredigt mit den Worten: „Hector, ich möchte dich meinem Gatten vorstellen, dem Duke of Bellston. Adam, dies ist mein Bruder, Hector Winthorpe.“
„Was?“ Hector schnappte nach Luft. „Dein Gatte?“
„Ja“, gab sie freundlich zurück. „Du erinnerst dich doch an unser letztes Gespräch? Ich erwähnte meine Absicht zu heiraten, damit die Frage, wer mein Vermögen kontrolliert, endgültig geklärt sei. Nun, ich habe meinen Plan in die Tat umgesetzt und mich verehelicht.“
„Das durftest du nicht!“
„O doch! Ich bin volljährig.“
„Penny, du erwartest doch nicht, dass ich einen Fremden in meinen Haushalt aufnehme, nur weil du behauptest …“
„Natürlich nicht!“, fiel sie ihm ins Wort. „Ich bin hier, um meine Sachen abzuholen. Sie sollen in mein neues Heim gebracht werden.“
Adam lächelte still vor sich hin.
„Du willst ausziehen?“ Hector fiel es schwer, die veränderte Situation zu begreifen.
„Als Ehefrau werde ich selbstverständlich im Haus meines Gemahls leben.“
„Unsinn!“, brauste Hector auf. „Ich höre mir diesen Quatsch nicht länger an! Wirklich, Penny, über deine Scherze kann niemand lachen! Geh auf dein Zimmer, damit ich mich bei diesem Gentleman – wer auch immer er ist – entschuldigen kann. Gleich morgen werden wir unseren Anwalt aufsuchen, um das Durcheinander, das du angerichtet hast, wieder in Ordnung zu bringen.“
Jetzt war auch Penelope mit ihrer Geduld am Ende. „Ich gehe auf mein Zimmer, ja. Allerdings nur, um nachzuschauen, ob meine Kleidung bereits zusammengelegt ist. Anschließend werde ich in der Bibliothek überwachen, wie Jem meine Bücher einpackt. Sobald das erledigt ist, werde ich dieses Haus für immer verlassen. Du hast keine Macht mehr über mich, Hector!“
Dieser war rot geworden, brachte aber kein Wort über die Lippen.
Es war Adam, der gelassen sagte: „Während du dich um deine Besitztümer kümmerst, meine Liebe, werde ich mich in aller Ruhe mit deinem Bruder unterhalten.“
Seltsamerweise konnte sie sich des Gefühls nicht erwehren, dass er ihr einen Befehl erteilt hatte. Zorn und Unsicherheit regten sich in ihr. Dann aber fiel ihr ein, wie geschickt und souverän er mit den Bankiers umgegangen war. Vielleicht war es wirklich am besten, wenn sie ihn mit Hector allein ließ. Sie wandte sich zur Tür.
Kaum hatte sie diese hinter sich geschlossen, als sie das Ohr ans Schlüsselloch presste. Nichts war zu hören.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen. Dann stieß Hector einen Fluch aus und rief: „Hören Sie, Sir …“
„Die korrekte Anrede für einen Herzog lautet ‚Euer Gnaden‘. Da Sie offenbar wenig Kontakt zum Adel haben, wussten Sie das vielleicht nicht. Aber nun, da Sie zur Familie gehören …“ Adam zögerte, und als er fortfuhr, klang seine Stimme sehr gönnerhaft. „Ich gestatte Ihnen, mich Adam zu
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