Wie es dem Glück beliebt
Sophie,
sollten Sie in irgendeiner Angelegenheit meiner Hilfe bedürfen, zögern Sie nicht, mir sofort eine Nachricht zu meinem Landsitz zu schicken. Die Adresse finden Sie unten.
Ihr Alex
P . S. Ich verspreche auch, Sie nicht betteln zu lassen.
Sie bewahrte den Brief auf ihrem Nachttisch auf.
Ein untersetzter Mann in mittleren Jahren saß, einen Brandy in der Hand, in einer von Londons ruhigeren Tavernen. Ihm gegenüber saß ein viel kleinerer Herr, dessen exotische Gesichtszüge und Vorlieben in puncto Alkohol ihn als Ausländer auswiesen.
»Das ist ein ziemlich großes Unterfangen«, bemerkte der Kleinere. »Sind Sie sicher, dass es funktionieren wird?«
»So sicher, wie man nur sein kann. Es sind eine Menge Überlegung und Planung hineingeflossen.«
»Wir verlassen uns trotzdem stark auf das Glück.«
»Soweit ich weiß, hat das Mädchen Glück im Überfluss«, antwortete der Untersetzte.
»Viel Glück, aber auch viel Pech. So wie jeder andere auch.«
»Mag sein, aber einige der Situationen, in denen sie sich befunden hat …«
»… hat sie im Wesentlichen selbst herbeigeführt. Das Mädchen ist eigensinnig und kühn.«
Der Untersetzte lächelte und tippte sich an die übergroße Nase. »Das qualifiziert sie für diese Sache.«
»Ja, aber wir werden trotzdem abwarten müssen, ob sie es akzeptieren wird.«
»Ich glaube, das wird sie. Allen Berichten zufolge amüsiert sie sich glänzend.«
»Das tut sie, der kleine Wildfang.« Der Ausländer lächelte und stand auf. »Ich werde für einige Tage nach Wales reisen. Sie wird das Fest bei den Coles besuchen, und ich vermute, dass sie dort sicher genug sein wird, ohne dass ich ihr folge.«
»Sie ist überall sicher genug.«
Der kleine Mann schüttelte den Kopf und warf einige Münzen auf den Tisch. »Wie ich sagte – eigensinnig und kühn. Man muss sie im Auge behalten.«
18
Das Fest der Coles galt vielen als der Höhepunkt der Saison. Die verwitwete Lady Thurston oder vielmehr ihr Sohn scheute keine Kosten. Jedes Jahr war das riesige Haus bis an die Dachsparren gefüllt mit Menschen, die begierig auf die Zerstreuungen Haldon Halls waren: zwei Wochen der erlesensten Speisen, einigen der besten Jagdreviere Englands sowie Eröffnungs-, Mittel- und Abschlussball.
Lady Thurston hatte Sophie anvertraut, dass sie, so gern sie auch Gäste bewirtete, die Sache lieber etwas kleiner halten würde – mit weniger Gästen und nur einem einzigen Ball. Aber ihr Ehemann hatte die Tradition vor Jahren begründet, und jetzt fühlte sie sich verpflichtet, sie beizubehalten.
Haldon Hall war ein riesiges Herrenhaus, das sich über Meilen zu erstrecken schien. Das ursprüngliche Gebäude ging auf die Zeit zurück, als ein früherer Cole vor etwa dreihundert Jahren als Baronet in den Adelsstand erhoben worden war. Dem Aussehen des Hauses nach zu urteilen, hatte, so Sophies Vermutung, jede folgende Generation es um einen Anbau ergänzt, und ihre Geschmäcker war offenbar recht unterschiedlich gewesen. Die Wirkung war verwirrend.
Zweimal verlief sie sich in dem Labyrinth der Korridore, bevor sie am ersten Abend den Speisesaal fand. Eine beunruhigende Vorstellung für ein Mädchen, das sich rühmte, einen guten Orientierungssinn zu besitzen (den sie im Dschungel noch verfeinert hatte). Als es ihr endlich gelang, die vordere Treppe zu entdecken, geschah es nur, um festzustellen, dass Alex am Fuß der Treppe mit einem wissenden Lächeln auf sie wartete.
»Sie werden sich daran gewöhnen«, meinte er.
»Wie bitte?«, fragte sie unschuldig. Sie fühlte sich nicht wohl bei der Vorstellung, dass er sie gut genug kannte, um zu wissen, dass sie sich verirrt hatte. Also lag ihr Zimmer nirgendwo in der Nähe dieser speziellen Treppe. Woher hatte er gewusst, dass sie sich nicht nur umgeschaut hatte? Noch weniger behagte ihr das beinah überwältigende Verlangen, ihn einfach … zu berühren. Überall. Gott, er war attraktiv, und sie hatte ihn seit Tagen nicht gesehen.
»Bei mir brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen«, erwiderte er glatt. »Aber Lady Thurston hat sich schon Sorgen um ihren verschwundenen Gast gemacht. Sie kommen zwanzig Minuten zu spät zum Abendessen.«
»Verdammt.« Sophie raffte ihre Röcke und eilte die Treppe hinunter, nachdem sie zu dem Schluss gekommen war, dass nicht der richtige Zeitpunkt war, um sich darum zu scheren, Alex dieses selbstgefällige Lächeln vom Gesicht zu wischen.
Alex ergriff ihre Hand und schob sie in seine Armbeuge. »Ich werde
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