Wie es Euch gefaellt, Mylady
und Drake sich im Erkerzimmer des Landhauses ihres ältesten Bruders. Heath stand am Fenster, während Drake nach seinem halsbrecherischen Ritt aus London rastlos hin und her wanderte.
„Ich bin froh, dass du so schnell kommen konntest“, sagte Heath dankbar und schenkte seinem Bruder ein Glas Brandy ein.
„Ich bin geritten wie der Teufel“, antwortete Drake. „Geht es um Auclair? Oder schon wieder um Brentford?“ Seine Augen wurden schmal. „Ich hätte dem Kerl die Nase blutig schlagen sollen.“
„Von Auclair habe ich nichts gehört.“
„Es wäre wahrscheinlich ein Irrtum zu hoffen, dass er für immer von der Bildfläche verschwunden ist.“
„Vermutlich.“ Heath reichte Drake das Glas mit einem verkrampften Lächeln. „Es handelt sich um eine delikate Angelegenheit.“
„Delikat? Wegen dir ließ ich eine entzückende Blondine auf dem Sofa in Audreys Boudoir sitzen.“
„Ich bin sicher, sie wartet auf dich.“
Drake unterdrückte ein Gähnen und lümmelte sich in einen Lehnstuhl. „Also, wenn du willst, dass ich einen unliebsamen Kerl beseitige, sprich endlich. Hamm kann mir dabei helfen. Lass uns die Sache hinter uns bringen.“
Heath horchte auf das gedämpfte Frauenlachen im Flur. „Es handelt sich nicht um einen Kerl. Nun ja, eigentlich schon. Es geht um mich. Besser gesagt, um eine Aktzeichnung von mir. Eine Nacktzeichnung, die Julia von mir angefertigt hat, ist verschwunden.“
Drake verschluckte sich und hustete. Dann breitete sich ein hämisches Grinsen auf seinem Gesicht aus.
„Eine Nacktzeichnung … von dir?“
„Wenn du anfängst zu lachen“, entgegnete Heath kalt, „gibt es sehr bald etwas zu beseitigen, und zwar deine Leiche.“
„Wieso ist sie verschwunden?“
„Hermia ließ Julias Musikzimmer entrümpeln von zwei Tagelöhnern, die sie auf der Straße aufgelesen hatte. Julia hatte die Zeichnung in dem Gerumpel versteckt. Aus Sicherheitsgründen.“
„Du bist erledigt“, stellte Drake trocken fest und knöpfte sich das Jackett auf. „Wer weiß, was diese Kerle mit dem verdammten Ding anstellen.“
„Genau.“
„Möglicherweise interessiert sich bereits der Louvre für das Kunstwerk“, spöttelte Drake. „Du könntest deine Besitzansprüche bei Wellington anmelden.“
„Du scheinst einen allzu hohen Anspruch an den künstlerischen Wert einer dilettantischen Zeichnung zu stellen“, bemerkte Heath trocken. „Mir reicht die grauenvolle Vorstellung, dass mein nacktes Konterfei in den Gassen von St. Giles herumgereicht wird. Julia trifft zwar keine wirkliche Schuld daran, dennoch ist die Sache furchtbar peinlich.“
„Auf dem Schwarzmarkt könnte das Ding ein Vermögen bringen“, sagte Drake nachdenklich. „Stell dir nur vor, wie viele Frauen zu einem Mord fähig wären, um das Kunstwerk zu besitzen. Wie sieht es denn aus?“
„Na ja, wie ich … nackt, nehme ich an.“
„Was in aller Welt ist in Julia gefahren, dich nackt zu zeichnen?“
„Das kannst du sie bitte selber fragen.“
Drake machte eine Pause. „Wie dem auch sei, ich kann es mir denken. Die Frage ist: Weiß Russell Bescheid?“
Heath hob den Kopf, als die Tür sich öffnete und Hermia eintrat, gefolgt von Julia, der lüsternen Künstlerin, in einem fliederfarbenen Abendkleid. Sein dunkler Blick wanderte in sündigem Begehren über ihre schlanke Figur.
„Grundgütiger“, entfuhr es ihr erschrocken, als sie hinter Hermias Rücken Schutz suchte. „Eine Familienbesprechung, und ich fürchte, den Anlass dafür zu kennen.“
Hermia wandte sich an Drake. „Haben Sie das Ding schon gefunden?“
Er erhob sich höflich zu ihrer Begrüßung. „Nein, aber ich werde mich umgehend auf die Suche machen. Kann mir eine der Damen die Zeichnung beschreiben?“
Julia nestelte nervös an den Fransen ihres Schals. „Ähm … ich enthalte mich der Stimme.“
„Dumme Frage. Eine Zeichnung von mir als Apoll“, erklärte Heath zähneknirschend. „Das dürfte doch nicht so schwer zu erkennen sein.“
„Nun ja“, druckste Julia verlegen herum, „abgesehen von der Tatsache, dass ich dich ein wenig übertrieben dargestellt habe … sozusagen als Karikatur.“
„Als Karikatur?“, wiederholte er verdattert.
Julia starrte ins Feuer. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass ihre Skizze in fremde Hände geraten könnte. Kein Wunder, dass sie in der vornehmen Welt als verruchte Lady Whitby verrufen war. Was für einen grässlichen Eindruck musste Heaths Familie von ihr bekommen, dabei hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher