Wie es Euch gefaellt, Mylady
gleichfalls in die Jahre gekommenen Witwe, die in ihrer Jugend eine verführerische Schönheit gewesen sein musste ließ sich zu erpresserischen Methoden hinreißen, um endlich an sein Ziel zu kommen. Heath rieb sich das Kinn, um sich seine Heiterkeit nicht anmerken zu lassen. Leichtsinn schien in Julias Familie zu liegen, ebenso wie in seiner. Kein Wunder also, dass sie beide sich in ihrem jugendlichen Überschwang zu stürmischen Zärtlichkeiten hatten hinreißen lassen.
„Grundgütiger“, sagte er. „Wer hätte das gedacht? Aldric und deine Tante?“
„Tante Hermia ist außer sich vor Empörung, dass diese peinlichen Zeilen womöglich jetzt an die Öffentlichkeit gelangen könnten.“
„Das kann ich mir denken. Die beiden waren gewiss ein aufsehenerregendes Paar.“
Julias warnender Blick gab ihm erneut zu verstehen, dass auch sie ihre Vergangenheit begraben und vergessen wissen wollte. Sie konnte unbesorgt sein. Heath hatte nicht die Absicht, ihre Episode öffentlich zu machen. Deshalb reagierte er umso verblüffter, als sie unvermutet sagte: „Nur um eine Sache zu klären: Ich habe nicht vergessen, was zwischen uns damals in der Bibliothek vorgefallen ist.“
Heath fasste sich und gab vor, den Globus auf dem Messingständer in der Ecke zu studieren. Wohin sollte das führen? Mit diesem Geständnis wirbelte sie nur Staub auf. Da sie den Bann des Schweigens gebrochen hatte, sah er sich gezwungen, gleichfalls darüber zu sprechen. „Ich auch nicht.“
„Vielleicht sollten wir die Tür überprüfen“, sagte sie. „Nur für den Fall, dass man uns eingesperrt hat.“
Er hob den Blick mit einem vielsagenden Lächeln. „Vielleicht.“
Sie schwieg, und Heath hatte nichts dagegen. Als Geheimagent hatte er gelernt, dass ein Schweigen oft mehr über Menschen verriet, als tausend Worte mitteilen konnten. Was würde er über sie erfahren? Er war sich nie klar darüber gewesen, was sie für ihn empfunden hatte. Vielleicht hatte er damals einen unverzeihlichen Fehler gemacht und sie verscheucht.
Verstohlen beobachtete er sie. Sie wirkte kühl und unnahbar. Das Schweigen schien sie nicht zu irritieren. Offenbar hatte sie starke Nerven, sonst hätte sie es nicht fertiggebracht, auf einen Soldaten zu schießen, der ein Dienstmädchen belästigt hatte. Gesellschaftliche Formen und Sitten schienen sie nicht sonderlich zu interessieren, sonst hätte sie sich nicht ständig darüber hinweggesetzt. Nun rauschte sie an ihm vorbei und prüfte die Tür. Ihr Selbstvertrauen und ihre Zielstrebigkeit weckten Heaths schlummernde Sinnlichkeit, zogen ihn magisch in eine Gefahrenzone.
Sie war nicht mehr die Julia Hepworth, an die er sich in seinen Fantasien erinnert hatte. Das unbeschwerte junge Mädchen von damals, das mit ihm gelacht und sich unschuldig seinen Zärtlichkeiten hingegeben hatte, war verschwunden, und er vermisste es plötzlich schmerzhaft.
„Ich hörte, dein Vater sei gestorben“, sagte er, um das Thema zu wechseln und seine Gemütsruhe nicht zu verlieren. „Mein herzliches Beileid, Julia.“
Sie warf ihm einen dankbaren und gleichzeitig forschenden Blick über die Schulter zu. „Er hätte sich sehr über einen Besuch von dir gefreut. Die meisten seiner Freunde zogen sich zurück. Gegen Ende seines Lebens fühlte er sich sehr einsam. Gelegentlich hatte er zwar Absencen, aber dann war sein Verstand wieder völlig klar.“
„Ich wünschte, ich hätte von seiner Krankheit gewusst“, antwortete Heath aufrichtig. Julias Vater war ein stattlicher, gütiger Mann gewesen, dessen Lebensfreude ansteckend gewirkt hatte. Unendlich großzügig, weltoffen, ein wahrer Gentleman. Einige seiner Charakterzüge hatte er an seine einzige Tochter weitergegeben.
„Auch ich habe meinen Vater verloren“, sagte er nach einer Pause.
„Russell sprach davon“, erwiderte sie leise. „Deine Geschwister waren dir gewiss ein Trost in der schweren Zeit.“
„Zumindest eine Ablenkung. Aber … du standest deinem Vater sehr nahe.“
Ihr Lächeln traf ihn bis ins Herz. Wie schön sie geworden war! Die Jahre hatten ihre etwas kantigen Gesichtszüge, den breiten Mund, das eigenwillige Kinn feiner geschliffen, ihr makellose Proportionen verliehen. Eine bezaubernde, willensstarke Frau. „Vater mochte dich gern. Wie sehr, wurde mir erst gegen Ende seines Lebens bewusst …“
Es blieb ihm jedoch keine Zeit mehr zu fragen, was sie damit meinte.
Entfernte Stimmen holten sie wieder in die Gegenwart. Erschrocken stoben sie
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