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Wie es Euch gefaellt, Mylady

Wie es Euch gefaellt, Mylady

Titel: Wie es Euch gefaellt, Mylady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jillian Hunter
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auseinander, verließen das Zimmer, entfernten sich jeder in eine andere Richtung wie zwei Ballgäste, die dem Lärm und Gedränge im Saal für ein paar Minuten entflohen waren. Heath schaute ihr nach, als sie im Erfrischungsraum der Damen verschwand. Er hatte noch immer keine Ahnung, welche Ausrede er benutzen würde, aber eines wusste er mit absoluter Gewissheit - er war nicht bereit, einen ganzen Monat damit zu verbringen, Julias Beschützer zu spielen.
    Julia flüchtete in den Erfrischungsraum, bestürzt über ihren inneren Aufruhr. All die Jahre hatte sie sich selbst belogen und sich eingeredet, sie habe sich verändert, habe aus ihren Fehlern gelernt und sei stärker geworden. Nach all den Ermahnungen und Zwiegesprächen mit ihrem Spiegelbild - immer wieder hatte sie sich schlagfertige Antworten zurechtgelegt und die kühle Distanz geprobt, die sie bei einer etwaigen Begegnung mit ihm wahren wollte.
    Alle Vorsätze waren wie fortgeblasen gewesen in der Sekunde, als sie in Heath Boscastles bezwingend blaue Augen geblickt hatte. Sie war wieder das naive Geschöpf von damals, nicht eine erwachsene Frau, eine Witwe, die ihre Jugendschwärmereien längst hinter sich gelassen hatte. Wie peinlich und demütigend, dass ein einziger Blick von ihm genügt hatte, sie all ihre Strategien vergessen zu lassen und sie vollkommen aus der Fassung zu bringen. Der einzige Unterschied zu damals bestand darin, dass sie ihre Gefühle besser verbergen konnte. Aber leugnen konnte sie ihre Empfindungen nicht.
    Sie betupfte ihre Schläfen und Handgelenke mit Rosenwasser, um sich zu beruhigen. Zu allem Überfluss hatte Heath sie mit seiner aufrichtigen Anteilnahme am Tod ihres Vaters an einen seiner letzten Sätze auf dem Sterbebett erinnert, womit er sein Bedauern darüber ausgedrückt hatte, dass sie „Boscastle nicht geheiratet“ hatte.
    „Verflixt“, schimpfte sie und stellte die Flasche Rosenwasser klirrend auf den Rand des Porzellanbeckens. „Zur Hölle mit allen Männern.“
    „Aber doch nicht mit allen“, ließ sich eine amüsierte Frauenstimme hinter ihr hören.
    Julia drehte sich langsam um und bemerkte erst jetzt die zierliche Frau, die entspannt auf einem schmalen Samtsofa ruhte und sich nun mit der Anmut einer Königin erhob. Julia glaubte die hübsche, etwa dreißigjährige Dame zu kennen, ohne sich an ihren Namen zu erinnern.
    „Sie sind …“
    „Audrey Watson“, sagte sie mit einem warmen Lächeln. „Sie entsinnen sich an mich?“
    „Natürlich. Wir lernten uns vor Jahren im Hyde Park kennen.“ Julia erwiderte ihr Lächeln ein wenig gehemmt. Damals war Audrey die Mätresse eines berühmten Porträtmalers gewesen, und diese Affäre war offenbar der Beginn einer erfolgreichen Karriere als Kurtisane gewesen, wie Julia den Klatschspalten der Zeitungen entnommen hatte. Seither vergötterte die Londoner Gesellschaft Audrey Watson. Sie war berühmt für skandalumwitterte Feste und erteilte ihre Gunst für schwindelerregend hohe Summen.
    Eine Kurtisane. Gütiger Himmel. Ein vielversprechender Beginn für Julias Rückkehr in die Gesellschaft.
    Audrey lächelte wissend. „Natürlich haben Sie all den Klatsch über mich gehört. Seien sie unbesorgt, meine Liebe, es stimmt alles.“
    Julia blinzelte. Kein Wunder, dass Miss Watson die Herzen im Sturm eroberte. Sie strahlte Charme und Witz aus. „Ich kann Ihnen nur gratulieren. Sie finden sich in der Männerwelt wesentlich besser zurecht als ich.“
    Audrey betrachtete sie mit leiser Besorgnis. „Sie sind jetzt Lady Whitby, nicht wahr? Nicht mehr Julia Hepworth, die blitzschnell am Abzug einer Pistole ist.“
    „Ich bekenne mich schuldig.“
    Audrey lachte. „Sie sind beinahe so berüchtigt wie ich. Wir beide haben einen bleibenden Eindruck bei den Londoner Männern hinterlassen.“
    „Ich fürchte, damit endet die Ähnlichkeit“, entgegnete Julia in gespieltem Ernst. „Ich habe mir einen gewissen Ruf darin erworben, auf Männer zu schießen, während Sie …“
    „Während ich den Männern gestatte zu schießen“, führte Audrey den Gedanken scherzend zu Ende. „Obwohl auch ich einigen meiner Liebhaber Wunden zugefügt habe, falls Sie dieser Gedanke tröstet.“
    Julia seufzte und dachte an den Grund ihrer Flucht in den Erfrischungsraum. „Ich wünschte, meine Beziehungen zu Männern wären so einfach.“
    Audrey senkte die Stimme und nickte vielsagend zu einem Hausmädchen im weißen Häubchen hinüber, das sich geschäftig an den Kleiderhaken mit Mänteln

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