Wie es Euch gefaellt, Mylady
und Schals zu schaffen machte, wobei sie sich beinahe den Hals verrenkte, um kein Wort der Unterhaltung zu verpassen.
„Irre ich mich jetzt, oder schlich Heath Boscastle vorhin zu einem Rendezvous mit Ihnen aus dem Ballsaal?“, fragte Audrey leise.
Julia war einen Moment lang sprachlos. Sie hatte vergessen, dass man in der Öffentlichkeit überall belauert wurde. „Das war doch kein Rendezvous.“
Audrey lächelte nachsichtig. „Ein harmloses Gespräch mit einem Boscastle gilt bereits als Rendezvous, Lady Whitby. Mir ist jedenfalls noch keine Frau begegnet, die sich dem sprichwörtlichen Boscastle-Charme entziehen könnte.“
„Damit haben Sie allerdings recht“, entgegnete Julia unbedacht.
„Unverbesserliche Schwerenöter und Herzensbrecher“, fügte Audrey schwärmerisch hinzu. „Ich finde jeden Einzelnen von ihnen hinreißend.“
Audreys Begeisterung trug nicht dazu bei, Julias Stimmung zu heben. Dass auch andere Frauen Heath unwiderstehlich fanden, war ihr keine Beruhigung. Im Gegenteil, diese Erkenntnis schien seine aufregende Ausstrahlung nur zu steigern und führte ihr lediglich erneut die Absurdität des von Russell getroffenen Arrangements vor Augen. Heath Boscastle, ihr Leibwächter. Er schien mit der Abmachung ebenso unglücklich zu sein wie sie, was sie ihm nicht verdenken konnte. Welche Anmaßung, ihm diesen Auftrag zuzumuten! Zu allem Überfluss hatte sie ihn auch noch in den lächerlichen Streit ihrer Tante mit dem Earl hineingezogen.
Audreys Augen weiteten sich in sensationslüsternem Entzücken. „Sagen Sie bloß nicht, Boscastle habe Ihnen angetragen, seine Geliebte zu werden.“
Julia seufzte gereizt. „Natürlich nicht.“
Audrey entfuhr ein spitzer kleiner Schrei. „Seine Ehefrau? Ich sterbe vor Eifersucht.“
„Offenbar sind Sie nicht auf dem Laufenden“, entgegnete Julia pikiert. „Ich bin mit Sir Russell Althorne verlobt.“
„Althorne?“ Audreys Stimme überschlug sich beinahe vor Verblüffung. „Das ist ja interessant.“
Die junge Garderobenfrau musterte Julia in unverhohlener Neugier. Im gleichen Moment öffnete sich die Tür, und drei kichernde und plappernde junge Damen stürmten herein. Audrey warf Julia einen entschuldigenden Blick zu und machte dem quirligen Trio höflich Platz, ihre nächste Bemerkung allerdings war weniger manierlich.
„In diesem Fall schließe ich mich Ihrer anfänglichen Bemerkung an.“
Julia hatte sich zum Gehen gewandt. Dies wäre ein günstiger Augenblick zu fliehen, da sie sich nicht dazu verleiten lassen wollte, etwas über ihr kompliziertes Verhältnis zu Heath preiszugeben, was sie später bereuen würde. Aber Audrey hatte ihre Neugier geweckt, und Julia konnte nicht widerstehen, sie zu befriedigen. Audrey schien eine deutliche Abneigung gegen Russell zu hegen.
„Meine anfängliche Bemerkung?“, fragte sie leise. „Ich verstehe nicht recht.“
Audrey lächelte. „,Zur Hölle mit allen Männern.‘ Das sagten Sie doch, bevor wir ins Gespräch kamen, stimmt‘s?“
Damit hatte sie recht. Mittlerweile drängten sich zwei weitere Damen in den engen Raum. Weder Ort noch Zeit waren dazu angetan, dieses Gespräch fortzusetzen. Es würde ihrem ohnehin angeschlagenen Ruf nur schaden, wenn sie in aller Öffentlichkeit den Rat einer stadtbekannten Kurtisane suchte. Was wusste Audrey über Russell? Welchen Grund gab es für ihre Abneigung? Vielleicht hatte Russell sie öffentlich bloßgestellt. Oder war sie lediglich von den Boscastle-Brüdern so angetan, dass kein anderer Mann dem Vergleich standhalten konnte?
Julia glaubte, in dieser Annahme die Antwort gefunden zu haben.
Die Boscastle-Brüder waren verwegene und faszinierende Teufelskerle, die alle anderen Männer in den Schatten stellten, wie sie aus eigener Erfahrung wusste.
5. KAPITEL
Julia saß sittsam in einer Ecke des Ballsaals neben ihrer Tante und beantwortete geduldig die Fragen über ihr Leben in Indien, mit denen sie von älteren Damen bestürmt wurde. Wie hatte sie es nur ertragen, so lange fern von jeder Zivilisation zu leben? Wurde sie von Albträumen verfolgt? Rauchten ihre Dienstboten allesamt Wasserpfeifen und bezeichneten alle Europäer als Ungläubige? Der Earl of Odham versuchte mehrmals vergeblich, Hermia zu einem Tänzchen zu bewegen, die sich standhaft weigerte und ihn schalt, sich wie ein eitler alter Pfau zu benehmen. Julia indes vermutete, dass sie seine Avancen genoss und immer noch zärtliche Gefühle für den Earl hegte, auch wenn sie ihm eine
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