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Wie es Euch gefaellt, Mylady

Wie es Euch gefaellt, Mylady

Titel: Wie es Euch gefaellt, Mylady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jillian Hunter
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Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen.
    Heath hatte sich widerstrebend bereit erklärt, die Damen am Nachmittag nach East End zu begleiten zu einem Vortrag, der die Notlage heimgekehrter Kriegsveteranen beklagte und anprangerte.
    Er schickte den Kutscher weg mit der Anweisung, in zwei Stunden wieder vorzufahren.
    Nach Beendigung des Vortrags wurden die Zuhörer aufgefordert, sich an einer Diskussion zu beteiligen, die indes zu einem jähen Ende kam, als hinten im Saal ein Tumult losbrach. Empörte Zwischenrufe zur Frage, warum Kriegsveteranen Pensionsansprüche verweigert wurden, arteten rasch in Handgreiflichkeiten aus. Ein wütender junger Mann warf einen Feuerwerkskörper zwischen die Zuschauer, worauf die Menge in Panik geriet und kopflos in alle Richtungen zu fliehen begann.
    „Rasch in die Kutsche“, rief Hermia durch das lärmende Stimmengewirr der sich gegenseitig stoßenden und drängenden Menschen. „Heath, lassen Sie Julia nicht aus den Augen. Dieses Gewühl kann gefährlich werden.“
    Julias Stimme übertönte das allgemeine Geschrei. „Mir geht es gut. Jeder kämpft für sich allein.“
    Heath erblickte sie im Getümmel. Sie wirkte zwar ein wenig erhitzt und angestrengt inmitten der schiebenden und stoßenden Menge, schien aber Ruhe zu bewahren. Solange er sie nicht aus den Augen verlor, musste er sich keine großen Sorgen machen. Wieso waren sie eigentlich in diese absurde Situation geraten? Er befürwortete Sozialreformen, allerdings durch Beschlüsse im Parlament und nicht durch ungeordnetes Aufbegehren des Volkes.
    Plötzlich flogen die Doppeltüren hinten im Saal auf, und eine Horde abgerissener Raufbolde verschaffte sich gewaltsam Zutritt. Heath erkannte die Gefahr, die Situation wurde brenzlig. Ein scharfer Luftzug von draußen löschte die Kerzen in den Wandhalterungen und tauchte die panischen Menschen in unheimliches Halbdunkel. In der wogenden Menge suchte er nach Julia.
    Und konnte sie nicht finden. Ihm wurde eiskalt.
    „Julia“, schrie er über die Köpfe hinweg und war sich kaum bewusst, wie lächerlich angstvoll er vermutlich klang, kümmerte sich auch nicht darum, dass ein älteres Ehepaar neben ihm erschrocken zusammenzuckte.
    „Hier drüben!“ Ihre Hand ragte heftig winkend aus dem Meer wogender Köpfe. „Wir werden zum Hinterausgang geschoben … Kümmere dich um Hermia.“
    Er schüttelte gereizt den Kopf. „Hermia ist neben …“ Er schaute sich suchend nach Lady Dalrymple um, die offenbar von der Menge verschluckt worden war. An der Stelle, wo sie noch vor einer Sekunde gestanden hatte, starrte er einem bebrillten fremden Mann ins Gesicht. „Wo ist sie nur?“, fuhr er den verdatterten Mann an. „Hermia, wo zum Teufel sind Sie?“
    „Hier unten.“
    Er bückte sich nach der halb erstickten Stimme zu seinen Füßen. „Guter Gott, was ist passiert?“, fragte er in heller Aufregung und half ihr auf. „Hat man Sie gestoßen?“
    „Ich habe meinen Hut verloren, Boscastle. Kein Grund zur Panik.“
    „Ich und Panik?“, knurrte er aufgebracht und hielt sie am Arm fest. „Sagen Sie das diesen Leuten, die kopflos wie eine Horde wild gewordener Elefanten losstürmen. Wieso habe ich Idiot mich nur zu diesem Blödsinn überreden lassen?“
    Lady Dalrymple drückte mit gerötetem Gesicht ihren Hut an den Busen. „Wo ist Julia abgeblieben?“
    „Hoffentlich schon durch den Hinterausgang entkommen, wenn sie einen Funken Vernunft hat.“ Er zog Tante Hermia unsanft mit sich. „Kommen Sie. Höchste Zeit, dass wir hier rauskommen.“
    „Verzeihung“, sagte Julia, als ein schwerer Stiefel ihr schmerzhaft auf die Zehen trat. Sie war mit einer verängstigten Gruppe in einem finsteren, schmuddeligen Seitengang gelandet. „Würden Sie mir bitte nicht ständig auf die Füße treten?“
    „Tut mir leid, Madam“, antwortete eine körperlose Stimme aus der Dunkelheit. „Ich sehe nicht, wohin ich trete.“
    „Hier ist eine Tür in eine Seitengasse“, rief eine Frauenstimme nach hinten. „Vorsicht auf den Stufen.“
    „Ich krieg keine Luft mehr“, keuchte ein Mann. „Ich hatte schon als Kind Angst vor der Dunkelheit.“
    „Es gibt noch einen anderen Ausgang“, flüsterte eine kultivierte Männerstimme an Julias Ohr. „Geben Sie mir Ihre Hand, ich führe Sie.“
    Julia zögerte. Sie hatte Hermia aus den Augen verloren, wusste sie aber in Heaths Obhut. Die höfliche Stimme klang jung und gebildet, und Julia schöpfte keinen Verdacht, der Mann könne andere Beweggründe

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