Wie es Euch gefaellt, Mylady
die allerdings zu heftig an mir interessiert war, um sich mit ihm einzulassen. Und der Rest ist Geschichte.“
Heath lächelte. „Natürlich.“
„Nun erzähle deinem älteren und klügeren Bruder“, fuhr Grayson fort und verschränkte die Hände, „woher diese plötzliche Zuneigung zu einer Frau, die dich in deiner Maienblüte in die Schulter geschossen hat? Spuck es endlich aus.“
„Sprichst du von Julia?“
„Es sei denn, du wurdest ein zweites Mal von einer Frau angeschossen. Gestehe! Was bedeutet sie dir?“
Eine Obsession. Ein unstillbarer Hunger, tief in der Vergangenheit und in der Gegenwart verwurzelt.
„Ich fühle mich für sie verantwortlich.“
Grayson machte ein skeptisches Gesicht. „Die übliche Ausrede.“
„Nein, wirklich. Ich habe den Auftrag, sie zu beschützen.“
„Das musst du mir genauer erklären.“
Und das tat er auch und war froh, dass Grayson ihm zuhörte, ohne in wieherndes Gelächter auszubrechen oder hämische Bemerkungen einzuflechten. Außerdem war er froh, sich auf die Loyalität seiner Brüder verlassen zu können, nachdem er sein halbes Leben damit verbracht hatte, den leichtfertigen Nichtsnutzen aus Schwierigkeiten zu helfen, in die sie sich mutwillig gebracht hatten.
Nun steckte er in Schwierigkeiten, und zwar von der übelsten Sorte, hoffnungslos verstrickt in eine Herzensangelegenheit, wie er es nie für möglich gehalten hätte.
„Kann ich dich um Rat fragen, Grayson?“
„Das wäre das erste Mal. Bisher war es umgekehrt. Du hast immer kühlen Kopf bewahrt, und wir alle suchten und fanden bei dir Rat.“
„Ich fürchte, ich bin zu tief in die Sache verwickelt, um zu wissen, was zu tun ist.“
„Heath Boscastle, der Meisterspion und Schwarm aller Frauen, sucht Rat bei einem der verruchtesten Lebemänner der Londoner Gesellschaft, der sich allerdings feierlich Besserung geschworen hat“, meinte Grayson sinnend. „Nun ja, wer würde sich besser zum Ratgeber eignen?“ Er setzte sich aufrecht hin und kam auf den Punkt. „Und du sagst, Julia ist mit dieser männlichen Hure verlobt?“
„Russell Althorne?“, fragte Heath betroffen. Er war davon ausgegangen, Russells Seitensprünge seien ein wohlgehütetes Geheimnis. Er jedenfalls hatte mit keiner Menschenseele darüber gesprochen. „Grayson, sprechen wir eigentlich von ein und demselben Mann?“
Grayson schnaubte verächtlich. „Ich habe nie ein Wort darüber verloren und bezweifle, dass Althorne davon weiß. Aber ich bin zufällig der Eigentümer des Hauses, in dem er eine Wohnung gemietet hat. Es liegt mir auch nicht daran, dass jeder davon erfährt, wohl bemerkt. Mieteinnahmen zu kassieren, klingt vulgär nach Gewinnsucht, auch wenn das Geld gar nicht in meine Hände gelangt.“
„Aber wieso macht ihn das zur männlichen Hure?“
„Er suchte eine elegante Wohnung für seine Mätresse in der Nähe seines Clubs.“
„In der Nähe seines Clubs?“
„Na ja, das klingt doch plausibel. Ein Sprung in den Club auf ein paar Brandys und dann über die Straße zum nächsten stimulierenden Vergnügen.“
In Heaths Magen breitete sich ein unangenehmes Ekelgefühl aus. Er hätte wissen müssen, das Russells Versprechen, Julia in Zukunft treu zu bleiben, eine Lüge war. Er fühlte sich von seinem Freund betrogen, aber noch schlimmer war sein Verrat an Julia. Überdies war es nur eine Frage der Zeit, wann Julia hinter das falsche Spiel ihres Verlobten kommen würde. Wenn Grayson davon wusste, wer war dann noch alles im Bilde über Russells Treiben?
„Ich bin froh, dass dieses Lotterleben hinter mir liegt“, fügte Grayson nachdenklich hinzu. „Du hingegen warst nie besonders lasterhaft. Deine Diskretion habe ich immer bewundert, damit hast du dir gewiss manche Scherereien erspart.“
„Ich nehme an“, bemerkte Heath trocken, „Lady Harrington hat dieses Liebesnest mit jedem erdenklichen Luxus ausstatten lassen.“
„Lady Harrington?“, fragte Grayson verdutzt. „Was hat sie damit zu tun?“
„Sie ist Russells Mätresse.“
„Nein, ist sie nicht.“
Heath furchte die Stirn. „Aber ja. Ich habe die beiden doch selbst ertappt in … nun ja, in einer verfänglichen Situation.“
„Auch wenn du die beiden ertappt hättest, wie sie es auf der Treppe miteinander trieben, Lucy Harrington ist jedenfalls nicht die Frau, die Russell in meinem Haus untergebracht hat. Die Frau, von der ich spreche, ist eine üppige Opernsängerin, die ganz offensichtlich schwanger ist. Nebenbei bemerkt hat
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