Wie es Euch gefaellt, Mylady
Morgengrauen von einem Tiger in unserem Garten bedroht wurde.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie an: „Beinahe, aber nicht ganz so schrecklich.“
„Hermia macht sich wirklich Sorgen um dich“, sagte Heath ernsthaft.
„Es ist ungemein tröstlich, dass alle so sehr um mich besorgt sind“, seufzte Julia. „Ich bin nämlich so zerbrechlich, dass ich ohne fremde Hilfe keinen Schritt machen kann.“
Es entstand ein langes Schweigen. Heath saß in seiner stoischen Ruhe da wie eine Sphinx, während Grayson seine Serviette mit großer Sorgfalt zu einem Boot faltete, und dann räusperte er sich.
„Heath, hast du Julia eigentlich schon unsere neue italienische Galerie gezeigt?“ Er schenkte Julia ein liebenswürdiges Lächeln. „Jane hat sie entworfen als Kopie der Galerie in ihrem Elternhaus.“
Heath rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Nein, noch nicht.“
„Eine fabelhafte Idee. Julia begeistert sich doch so sehr für die Schönen Künste.“ Grayson rieb sich freudig die Hände. „Du kennst den Weg?“
17. KAPITEL
Die perfekte Bühne für eine klassische Verführungsszene, dachte Julia beklommen beim Betreten der Galerie, die von Kerzen in vergoldeten Wandleuchtern erhellt war. In einer Ecke lud eine Chaiselonge mit weichen Daunenpolstern zum Verweilen ein, auf einem niedrigen chinesischen Tisch mit Löwenpranken an den Beinen verströmte ein riesiger Strauß weißer Lilien in einer Kristallvase einen betörenden Duft.
Die reich verzierte Stuckdecke war mit Fresken bemalt, pausbäckige Putten tollten in himmlischem Gewölk herum. In halbrunden, vertieften Alkoven standen lebensgroße Marmorstatuen, Kopien antiker römischer Gottheiten.
Julia war ein wenig angespannt und aufgeregt, vielleicht auch etwas verwirrt über Janes Worte, aber keineswegs verängstigt, vor allem aber war sie neugierig. Ein Hauch von Sünde wehte sie an in Heath Boscastles Gegenwart. Allein mit ihm zu sein war bereits gefährlich. Wo war ihre Entschlossenheit geblieben, ihm zu widerstehen? Und was hatte er eigentlich vor?
Ihre Neugier und Faszination waren zu mächtig, um Heath Einhalt zu gebieten, ehe er den ersten Schritt machte. Im Übrigen hatte sie Abenteuergeist und Lebenslust von ihrem Vater geerbt, der ihr beispielhaft vorgelebt hatte, dass es sich lohnte, hin und wieder Risiken einzugehen.
Vielleicht gab es ja doch noch irgendeinen Weg, der sie zu Heath führte. Möglicherweise musste sie Russel nicht heiraten. Nein, was auch immer geschah, sie musste ihr Eheversprechen halten. Aber es schien unmöglich, Heath zu widerstehen.
Während sie von einer Statue zur nächsten schlenderte, eine jungfräuliche Vestalin bewunderte, die ein Füllhorn mit Früchten ausgoss, trat Heath hinter sie, und sie geriet in einen Strudel der Verwirrung. Die Wärme seines Körpers jagte ihr prickelnde Schauer bis in die Fingerspitzen. Sein raues Kinn streifte ihren Nacken. Beinahe überwältigend war der Drang, ihm in die Arme zu sinken und an nichts mehr zu denken.
„Wie findest du meinen Bruder?“, fragte er amüsiert. „Einfühlsam, nicht wahr?“
„Er ist charmant.“
„Ein charmanter Schwerenöter.“
Sie drehte sich überraschend um, wollte ihn aus der Fassung bringen. Er wich nicht zurück, und sie stand dicht vor ihm, berührte ihn beinahe. Seine verbotene Nähe und das geheimnisvolle Lächeln, das seine Mundwinkel umspielte, zogen sie unwiderstehlich in seinen Bann.
„Ihr seid beide Schwerenöter, würde ich meinen“, murmelte sie.
„Ich?“ Er legte die Hand ans Herz. „Ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle?“
„Nun gut, dann eben ein Gentleman und Schwerenöter. Du bist etwas feinfühliger und deshalb auch gefährlicher für das weibliche Herz.“
Er lachte. „Dein Urteil ist ungerecht.“
„Ich erlaube mir kein Urteil über dich.“
„Vielleicht solltest du das“, entgegnete er mit hochgezogener Braue.
Julia ahnte, dass er auf etwas hinauswollte. Ihre Neugier war angestachelt.
„Was meinst du damit?“
„Mir ist es lieber, falsch beurteilt als ignoriert zu werden.“
Nun lachte sie. „Als könne man einen Boscastle ignorieren.“
Er nahm sie sanft beim Ellbogen. „Setzen wir uns. Jane spielt im Salon Klavier wie jeden Abend in der Hoffnung, dadurch ein ausgeglichenes und zufriedenes Kind zur Welt zu bringen. Hör zu.“
„Denkst du, Musik kann das bewirken?“, fragte Julia und ließ sich durch den langgestreckten Raum führen, der Versuchung entgegen.
Die Klänge des
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