Wie es Euch gefaellt, Mylady
eingeschüchtert, dass er nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht.“
„Hauptsache er verschwindet.“ Er sah sie an und lachte trocken. „Er muss dir nicht leidtun, Julia. Es war kein Zufall, dass er uns beinahe überfahren hat.“
Brentford, der wieder bei seinem Wagen war, hörte ihre Stimmen, drehte sich um und stieß mit dem Rücken gegen sein Pferd.
Heath seufzte wieder. „Vielleicht doch. Wieso fährt dieser Trottel so schnell? Er hätte jemanden umbringen können.“
„Übertreibst du nicht ein bisschen?“, fragte Julia scherzend.
„Keineswegs. Ich hätte ihn auf der Stelle umbringen können.“
„Weil er so schnell gefahren ist?“
Heath zögerte. „Nein, weil er dich so unverschämt anstarrte.“
Sein Blick hielt sie gefangen, sein Lächeln verzauberte sie. „Nur weil er mich ansah?“, fragte sie zaghaft.
„Das ist doch meine Aufgabe, wie?“
„Nun ja …“
„Willst du, dass ich um dich kämpfe oder nicht? Ich finde, es ist höchste Zeit, damit anzufangen, nachdem wir bereits sechs Jahre verloren haben.“
Julia konnte nicht an sich halten. Sie lachte befreit auf. Was für eine Wohltat, offen mit ihm geredet zu haben. Und als Heath das Gefährt durch die verschnörkelten Parktore lenkte, bemerkte sie die grauen Wolken, die sich unheilvoll am Himmel zusammenbrauten. Sie warf einen Blick über die Schulter, in Gedanken an Brentford, der gewiss vom Regen überrascht wurde.
Als sie den Blick wieder nach vorne wandte, jagte ihr ein Frösteln über den Rücken. Sie hatte einen Mann bemerkt, der seinen schwarzen Zylinder vor ihr lüftete, in einer seltsam anmaßenden und spöttischen Geste, als habe er den Wortwechsel mit Brentford beobachtet. Der Mann stand an einen Baum gelehnt, einen Spazierstock unter dem Arm. Bevor sie sein Gesicht sehen konnte, war er in einer Schar fein gekleideter Spaziergänger untergetaucht, die eilig den Park verließen, um dem bevorstehenden Regenguss zu entfliehen.
„Was ist?“, fragte Heath. „Fährt Brentford in Schlangenlinien hinter uns her?“
„Nein, es ist nur …“ Sein Arm streifte den ihren, und sie wollte, dass alles genau so blieb, wie es jetzt war.
„Brentford wird wohl vom Regen überrascht werden“, murmelte sie.
„Geschieht ihm recht!“, entgegnete Heath und überholte eine langsame Kutsche. „Hoffentlich wird er bis auf die Haut nass.“
16. KAPITEL
Heath lud Julia am gleichen Abend ins Haus seines Bruders Grayson in der Park Lane zum Dinner ein. Nach ihrem offenen Gespräch im Park wusste sie nicht recht, wie sie sich verhalten sollte. Keiner von ihnen hatte die Absicht gehabt, so offen zu sprechen. Zugegeben, sie hatte den Mut aufgebracht, ihre Gefühle offenzulegen. Andererseits war Ehrlichkeit nicht immer hilfreich, wühlte oftmals Konflikte eher auf, als sie zu bereinigen.
Hatte sie ihn schockiert? Nein. Nicht Heath, obwohl er merkwürdig auf ihr Geständnis reagiert hatte.
Unwillkürlich fragte sie sich, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie damals mehr Mut aufgebracht hätte. Vielleicht wäre es besser gewesen, nicht kopflos zu fliehen.
Sie nahm die Einladung an. Hermia hatte sich widerwillig bereit erklärt, mit Odham in die Oper zu gehen, und Julia bangte davor, nach diesem aufwühlenden Gespräch den Abend ohne sie mit Heath zu verbringen. Aber glücklicherweise würden ja Grayson und seine Gemahlin anwesend sein, sodass sich die Spannung zwischen Heath und ihr etwas lösen konnte.
Ein großer Irrtum, wie sich herausstellen sollte. Die Boscastle-Brüder unterstützten einander offenbar nicht nur in Not und Krankheit, sondern auch in Herzensangelegenheiten. Grayson war nur zu gerne bereit, das Feuer zwischen Julia und Heath zu schüren.
Das Herrenhaus des Marquess of Sedgecroft hatte die Größe eines Palastes. Elegante griechische Fresken zierten die Wände, hohe, bis zur Stuckdecke reichende Spiegel verstärketn den Eindruck von Weite, Licht und Luxus. Diener tauchten wie durch Zauberhand aus dem Nichts auf, um Julia die grüne Seidenstola abzunehmen und einen Sessel zurechtzurücken, und verschwanden lautlos, wenn sie nicht gebraucht wurden. Das Haus strahlte bei aller erlesenen Eleganz eine Atmosphäre der Selbstverständlichkeit aus, ohne aufdringlich protzig zu wirken.
Ihre Abendschuhe versanken in weichen Perserteppichen, die auf glänzend poliertem Eichenparkett lagen. Im Esszimmer nahm man an einer langen Mahagonitafel Platz, Julia zwischen Heath und seinem Bruder Grayson, einem stattlichen Mann mit
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