Wie es mir gefaellt
bekommen.«
Dan ging ungerührt zu
seinem Schreibtisch und griff nach seiner schwarzen Kuriertasche. Er war stark
versucht, Kästle zu sagen, dass Mysterys Scheck gerade auf dem Hudson Richtung
Helsinki schwamm, aber er wollte nicht hochkant rausgeschmissen werden - er
wollte erhobenen Hauptes kündigen.
Siegfried Kästle war
ihm bis zu seinem Tisch gefolgt und sah ihn mit seinen kalten teutonischen
Augen abwartend an.
»Wissen Sie was?
Suchen Sie sich einen anderen Sklaven«, sagte Dan. Dann kletterte er auf
seinen Schreibtischstuhl, um endlich zu lesen, was da mit roter Farbe quer
über die Wände geschrieben war. Red Letter Red Letter
Red Letter stand da bloß immer
wieder in endloser Reihe hintereinander. »Das ist ja unglaublich originell«,
sagte er und sprang vom Stuhl. Und dann ging er.
Knapp dreißig Sekunden
später summte auch schon sein Handy unangenehm in der Hosentasche. Er musste
gar nicht aufs Display gucken, um zu wissen, wer dran war.
»Ich glaub, ich
spinne, Danny-Boy! Niemand, ich sage dir, NIEMAND schmeißt beim Red Letter einfach die Brocken
hin«, brüllte Rusty außer sich. »Was hatte ich dir vorher gesagt? Du sollst die
Aura des literarischen Genies in dich AUFSAUGEN! Du sollst tun, was man dir
sagt. Du bist bloß ein gottverdammter kleiner PRAKTIKANT, verdämmte Scheiße
noch mal. Du kannst nicht einfach so abhauen!«
Dan presste das Handy
ans Ohr und ging mit entschlossenen Schritten die Seventh Avenue hinauf. Er
würde sich das triumphierende Kribbeln, das seinen Körper durchströmte, nicht
von Rusty nehmen lassen. »Tut mir Leid, aber mir ist nicht ganz klar, wie ich
lernen soll, gute Gedichte zu schreiben, indem ich anderer Leute Briefe zur
Post bringe, Kaviar kaufe oder Kopien mache.«
Rusty blieb still,
jedenfalls einen kurzen Moment lang. »Spring in ein Taxi, Hase. Wir treffen uns
in zehn Minuten im Plaza. Ich glaub, ich weiß, wie ich das hinkriege.«
Dan stand auf der
obersten Stufe der Treppe zur U-Bahn- Station auf der 14. Straße. Er erinnerte
sich daran, wie Rusty ihn dazu hatte überreden wollen, nach der Schule nicht
sofort zu studieren, sondern seine Memoiren zu schreiben, wozu er überhaupt
keine Lust hatte. Er wollte an die Uni, um sich auszuprobieren und besser
schreiben zu lernen, und dazu brauchte er keine Agentin.
»Schon okay. Ich
glaub, ich weiß selbst, wie ich das hinkriege. Ich glaub vor allem, ich weiß,
wie ich mich hinkriege. Jedenfalls fürs Erste.«
Rusty antwortete
nicht. Er hörte im Hintergrund, wie Telefone klingelten und ihr Sekretär
Buckley sie hektisch beantwortete. Dan wartete darauf, dass Rusty ihn
anbrüllte, ihm vorwarf, er wüsste ja gar nicht, was gut für ihn sei, doch dann
sagte sie nur: »Bist du dir sicher?«
»Ja«, sagte er mit
fester Stimme. »Danke.«
»Tja, scheiß drauf.
Ich wünsch dir was.«
»Ich Ihnen auch«,
sagte Dan ernst, bevor er auflegte. Rusty Klein war verrückt, brüllte einen
nieder und war ganz schön tyrannisch, aber er würde sie trotzdem vermissen.
Statt die Treppe zur
U-Bahn hinunterzugehen, drehte er sich um, ging in den Donutladen nebenan,
bestellte sich einen extragroßen schwarzen Kaffee und einen Jelly- Donut und
drückte Vanessas Nummer ins Handy.
Mit zitternden Händen
transportierte er den Kaffee nach draußen, stellte ihn auf den Boden, zündete
sich eine Zigarette an und lauschte auf das Tuten im Telefon.
»Hey«, sagte er, als
irgendwann die Mailbox ansprang. »Ich hab dir was geschickt und wollte mal
fragen, ob es angekommen ist.« Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette
und überlegte, was er sonst noch sagen könnte. »Ach so, ich bin's... Dan. Ich
hoffe, dir geht's gut. Öh... tja, bis bald.« Er legte auf.
Na ja, okay, das war
nicht gerade ein »Bitte verzeih mir und gib mir noch eine Chance«, aber
immerhin hatte er das Eis gebrochen
die
hässliche Wahrheit
Leo
erwartete sie draußen vor der schwarzen vergitterten Eisentür. »Hey!« Jenny
wurde ein bisschen rot, weil sie sich selbst eingeladen hatte.
Leo fummelte den
Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Er zeigte mit dem Kinn auf das
Rennrad, das im Eingang an den Mülltonnen lehnte. »Damit dreht Dad jeden Morgen
ein paar Runden im Park. Er ist ziemlich fit für sein Alter.«
Es war das erste Mal,
dass Leo seinen Vater erwähnte. Jenny hatte sich immer vorgestellt, er würde
einsam und vaterlos in der palastartigen, schwarz-gold eingerichteten
Riesenwohnung seiner Mutter in der Park Avenue leben, fernsehen und
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