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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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besuchte häufig Straßentheater und Dramenaufführungen in den Häusern seiner Freunde und hatte selbst bereits den Volpone und den Blaubart gespielt.
    «Dass es Spaß macht, merke ich», erwiderte Tom, «aber wie können wir so ein Stück umsetzen? Schließlich sind wir keine Schauspieler.»
    «Hast du denn nicht zugehört?», fragte ihn Charles.
    «Vermutlich nicht.»
    «Das ist doch gerade der Witz daran, lieber Tom. Auch Squenz und Zettel konnten nicht spielen.»
    «Trotzdem handelt es sich um Bühnenfiguren. Wir sind echte Menschen, oder etwa nicht?»
    «Ben, was macht das schon? Der Text bleibt doch derselbe, oder? Wir können Siegfried und Selwyn dazuholen.» Auch Siegfried Drinkwater und Selwyn Onions arbeiteten als Kontoristen im Dividendenbüro. «Beide gäben perfekte Athener ab. Wir können das Stück im Verkaufsbüro aufführen. Am Abend des Johannistages. Was meint ihr dazu?»
    Tom Coates und Benjamin Milton blickten einander todernst an, dann brachen sie in schallendes Gelächter aus.

7
     
     
     
    Punkt zwölf Uhr mittags bog William Ireland in die Paternoster Row ein. Er wusste, dass um diese Zeit die hier ansässigen Buchhandlungen und Buchverkäufer die wöchentliche Ausgabe der Westminster Words geliefert bekamen. Der Herausgeber persönlich holte die in braunes Papier gewickelten und verschnürten Pakete aus dem Inneren einer Mietdroschke und stellte sie zu. Diese Prozedur hatte William bereits in den beiden letzten Wochen miterlebt, als er ungeduldig darauf gewartet hatte, ob man seinen Artikel über das verschollene Shakespeare-Gedicht auch tatsächlich veröffentlicht hatte. Er kannte die Buchhandlungen in diesem Viertel sehr gut. Kaum war die Droschke vorbei, bat er Mr Love von der Buchhandlung Love Volumes um ein Exemplar der Wochenzeitschrift.
    «Die Geschäfte gehen schleppend, finden Sie nicht auch, Mr Ireland?»
    «Das war doch schon immer so, Mr Love.»
    «Naja, sei’s drum.» Love war ein hagerer Mann mit weißem, strähnigem Haar, der seine Gesprächspartner immer nur schief von der Seite ansah. «Mir ist es zu warm, Mr Ireland, und die da mögen dieses Wetter auch nicht.» Er deutete auf seine Bücher. «Die mögen mildes Wetter. Sei’s drum. Wie geht es Ihrem Vater?»
    William kaufte die Westminster Words und eilte die Straße hinunter. Er suchte ein abgeschiedenes Fleckchen, wo er in Ruhe in seiner Ausgabe blättern konnte. Er duckte sich hinter einem Stapel Fässer, die der Kärrner sorgfältig zu einer Pyramide aufgeschichtet hatte, und schlug die Wochenzeitschrift auf.
    Es war der erste Essay. Die Überschrift war in 12-Punkt hoher Times gesetzt: «Ein unbekanntes Gedicht von William Shakespeare.» Und darunter stand: «Von W. H. Ireland.» Er hatte seinen eigenen Namen noch nie gedruckt gesehen. Er wirkte merkwürdig distanziert auf ihn, als hätte William insgeheim eine andere Identität gehegt, die erst jetzt zum Vorschein gekommen war. Es war, als läse er die einleitenden Worte zum allerersten Mal. In dieser Schriftart wirkten sie viel reifer und gewichtiger. Wie oft hatte er sich diesen Moment schon ausgemalt, und so war die Freude darüber noch größer.
     
    «Bislang hieß es, man würde nie wieder neue Werke aus der Feder von William Shakespeare entdecken, und der Schatz seiner dramatischen Dichtung, wie ihn die Welt kennt, sei in sich geschlossen. Doch wie in so vielen anderen Aspekten der Shakespeare-Forschung hat sich die landläufige Meinung auch in diesem Punkt geirrt…»
     
    Edmond Malone las diesen Artikel in einer Nische von Parkers Kaffeehaus direkt hinter der Chancery Lane. Mit verblüffter Miene lehnte er sich gegen die Eichenvertäfelung, nahm seine Brille ab und wollte auf der Stelle zahlen. Dann setzte er seinen Hut auf und eilte, mit den sauber gefalteten Westminster Words unter dem Arm, schnurstracks auf die Straße hinaus. Wenige Minuten später stand er vor Irelands Buchhandlung. Die Türglocke zitierte Samuel Ireland höchstpersönlich herbei, der unter dem Ladentisch gekniet und Mäusekot inspiziert hatte.
    «Einen wunderschönen Tag wünsche ich, Mr Malone. Ist denn schon Nachmittag?»
    «Ja, ja. Was soll das bedeuten?» Malone legte die Wochenzeitschrift auf den Ladentisch.
    Samuel Ireland schlug das Exemplar auf, hielt es sich vor die Nase und las es aufmerksam. Dabei wurde er immer kurzatmiger und schnaufte heftig. «Ich hatte nicht die geringste Ahnung – » Er zog sein Taschentuch heraus und schnäuzte sich lautstark. «Man hat mir

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