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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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gemeinsamen Elend gegangen waren. Enttäuscht und niedergeschlagen kehrte er in die Berners Street zurück.
    Er sah Anne nie wieder. Sie verschwand vom Antlitz Londons genauso plötzlich und endgültig, als wäre sie in einen Ozean versunken. Er aber trauerte um sie. Er hatte keine Ahnung, was ihr zugestoßen sein könnte. Sie war verloren. Die ganze Welt erschien ihm ein einziges Jammertal.
    Während nun William Ireland den Geist von Katherine Hamlet wieder aufleben ließ, musste de Quincey erneut an Anne denken.
     
     
    Als William von seinen Notizen aufblickte, spürte er einen Stimmungsumschwung im Publikum. Jetzt begriff er, wie sich Shakespeare gefühlt haben musste, wenn es ihm gelungen war, seine Zuschauer zutiefst zu fesseln.
    «Ich hätte noch einen interessanten Punkt für alle hier Anwesenden, sogar einen ungemein wichtigen Punkt, wenn ich das so sagen darf. Es geht um die Entdeckung eines neuen Theaterstücks. Zweihundert Jahre schlummerte es in der Vergessenheit. Nun wurde es wiederentdeckt.» Man hätte die erwartungsvolle Stille, die ihm entgegenschlug, beinahe greifen können. Mary hob den Kopf und lächelte ihn an. «Es trägt den Titel Vortigern und schildert den Aufstieg des gleichnamigen blutrünstigen Königs von Britannien. Wir fühlen uns an Lear und Macbeth erinnert. Der von mir bereits erwähnte, anerkannte Gelehrte Mr Malone hat sich dafür verbürgt, dass es sich um ein authentisches Stück handelt. Lassen Sie mich seinen Kommentar zu dieser überraschenden Entdeckung zitieren, die für uns alle von immenser Bedeutung ist. Mr Malone konstatierte in seinem Brief an mich, dass ‹dieses wunderbare Dokument für alle Shakespeare-Liebhaber von einzigartigem Interesse ist. Und was die Echtheit betrifft, so ist es über jeden Zweifel erhaben›.»
    Plötzlich brandete lang anhaltender Applaus auf. William fügte noch einige der üblichen Dankesfloskeln an und beendete seinen Vortrag.
    Als er von dem kleinen Stehpult wegtrat, kam sein Vater auf ihn zu und rief: «Das war großartig. Besser hätte ich es auch nicht machen können. Du hast die magische Ausstrahlung aller Irelands.»
    Malone gesellte sich zu ihnen. «Sehr schön, Mr Ireland. Sie haben Redekunst nicht mit Geschwätzigkeit verwechselt, Sir.»
    Mr Lamb schob Mary nach vorne. «Vater besteht darauf – », hob sie an.
    «Kohl und noch mehr Kohl!» Mr Lamb schüttelte allen die Hand, sogar seiner Tochter.
    «Sir, ich bin entzückt, Sie kennen zu lernen.» Samuel Ireland musterte ihn etwas reserviert. «Wir schätzen Ihre Tochter sehr.»
    «Viel Vergnügen mit dem Wurm.»
    «Sehr weise, Sir.»
    «Und an Weihnachten ein schönes Schlemmermahl.»
    «Ich würde wirklich – »
    «Papa, wir müssen gehen.» Mary hakte sich bei ihm ein. «Wir dürfen die Herren nicht unnötig aufhalten.»
    «Schiff ahoi!» Mr Lamb strahlte Samuel Ireland an, aber als er sich seiner Tochter zuwandte, wirkte er plötzlich verwirrt und gebrechlich.
    «Hier entlang, Papa, pass auf die Teppichkante auf!»
    «Ein bemerkenswerter alter Herr», meinte Samuel Ireland. «Ein echter Charakterkopf.»
    Während Mary vorsichtig ihren Vater zum Saal hinausbugsierte, trat Thomas de Quincey zu William. «Sir, darf ich Ihnen die Hand drücken?»
    «Selbstverständlich.»
    «Die Hand, die Shakespeares Blätter berührt hat.»
    «Es war sehr reizend, dass Sie gekommen sind.»
    «Seit meiner Kindheit interessiere ich mich für Shakespeare. Ich bin in Manchester aufgewachsen. Sie können sich vorstellen, dass ich dort mit meiner Vorliebe recht einsam gewesen bin.»
    Offensichtlich hätte sich de Quincey gerne weiter unterhalten, aber momentan hatte William keine Ohren für ihn. Er nannte ihm noch die Adresse der Buchhandlung und lief dann schnell hinter Mary her, die an der Ecke Milk Street und Cheapside vergeblich versuchte, eine Droschke anzuhalten.
    «Mary, es hat mich ungemein gefreut, Sie und Ihren Vater zu sehen. Vielen Dank für Ihr Kommen.»
    «So etwas hätte ich mir nie entgehen lassen. Außerdem bringe ich Vater gern unter die Leute. Das heitert ihn auf.»
    Mr Lamb starrte zum Himmel hinauf und drehte sich dabei um die eigene Achse.
    «Darf ich Sie nächste Woche besuchen?»
    «Unbedingt. Ich freue mich schon jetzt, Neues über das Stück zu erfahren.»
    «Sind Sie denn wieder ganz gesund?»
    «Zum Glück besitze ich eine kräftige Natur, William.»
    Drei Nächte zuvor hatte Charles Lamb seine Schwester im Nachthemd in der Küche vorgefunden. Vor ihr auf dem Tisch lag

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