Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
Vom Netzwerk:
immer noch seinen Vortrag. «Meiner Ansicht nach wusste Shakespeare ganz genau, dass seine Stücke reine Phantasie waren. Er verwechselte sie nicht mit der echten Welt.»
    «Dann wollte er uns damit also gar nichts vermitteln, Mr Jowett?»
    «Nein. Er wollte lediglich amüsieren.»
    Charles Lamb und Siegfried Drinkwater, alias Pyramus und Thisbe, hatten sich links und rechts von der Wand aufgestellt. Thisbe schraubte ihre Stimme in die Höhe:
     
    «O Wand, du hast schon oft gehört das Seufzen mein,
    Mein ‘n schönsten Pyramus weil du so trennst von mir;
    Mein roter Mund hat oft geküsset deine Stein’
    Dein’ Stein mit Kalk und Haar geküttet auf in dir.»
     
    «‹Steine›», flüsterte Tom Benjamin zu, «war damals ein anderes Wort für die Hoden.»
    «Soll das heißen, Shakespeare hat eine obszöne Bemerkung niedergeschrieben?»
    «Natürlich. Ich küsse deinen Sack.» Charles griff sein Stichwort auf.
     
    «Ein Stimm ich sehen tu; ich will zur Spalt und schauen
    Ob ich nicht hören kann meiner Thisbe Antlitz klar.
    Thisbe!»
    «Mein Liebchen! Es ist mein Schatz, fürwahr!»
     
    Mary trat vor. «Mr Drinkwater, sollte es nicht heißen: ‹Dies ist mein Schatz, mein Liebchen ist’s fürwahr?› Thisbe würde die Stimme ihres Liebsten wiedererkennen. Und du, Charles, du bist für einen Liebenden viel zu verhalten. Ein Liebender muss vor Leidenschaft glühen.»
    «Und woher will gerade sie das wissen?», meinte Benjamin ganz leise zu Tom.
    «Hast du’s denn nicht gehört? Sie hat einen Verehrer.»
    «Mary Lamb?»
    «Ja. Charles hat’s mir erzählt.»
    «Das sind wahrlich seltsame Neuigkeiten.»
    «Das dicke Ende kommt noch.»
     
     
    Als sie ein paar Stunden nach dem Ende der Probe im Salutation and Cat saßen, kam dieses Thema erneut zur Sprache. Charles stand mit den Übrigen am Tresen, während sich Tom und Benjamin in einer Ecke über die Vorfälle vom Morgen schieflachten. «Wenn Mary Lamb einen Liebhaber hat», meinte Tom, «dann sollte er gut aufpassen. Sie beißt. Hast du gehört, wie sie Charles ausgeschimpft hat, nur weil er ein bisschen herumgealbert hat? Sie war ganz schön heftig.»
    «Aber doch nur im Rahmen des Stückes.»
    «Da wäre ich mir nicht so sicher. Zettel hat gelacht, aber Charles ist zusammengezuckt.»
    «Wie heißt er denn?»
    «Der Verehrer hört auf den Namen William Ireland. Laut Charles ist er ein Buchhändler aus der Nachbarschaft.» Tom hielt inne und füllte aus einer großen Flasche Stout, die er nicht aus den Augen ließ, seinen Krug auf. «Anscheinend ist er ein großer Shakespeare-Liebhaber. Seine Entdeckungen reißen sämtliche Gelehrten zu Beifallsstürmen hin.»
    «Ich küsse seinen Sack.»
    «Tja, aber die eigentliche Frage ist doch: Tut sie das auch?»
    «Horribile dictu.»
    Charles lehnte am Tresen und lauschte einer halbherzigen Debatte von Siegfried und Selwyn über die Royal Academy. Da sah er, wie William Ireland in Begleitung eines exzentrisch gekleideten jungen Mannes – er trug einen grünen Rock und einen gleichfarbigen Kastorhut – die Taverne betrat.
    Ireland entdeckte ihn sofort und kam zum Tresen herüber. Während er Charles begrüßte, stand der junge Mann im grünen Rock hinter ihm. «Und das», sagte er und wandte sich halb um, «ist de Quincey.» Mit einer Verbeugung zog der junge Mann seinen Hut. «De Quincey ist hier zu Besuch.»
    «Und wo wohnen Sie, Sir?»
    «Ich logiere in der Berners Street.»
    «Ich habe einen Freund in der Berners Street», meinte Charles. «John Hope. Kennen Sie ihn?»
    «London ist sehr groß, Sir, und sehr wild. Ich kenne niemanden in dieser Straße.»
    «Aber uns kennen Sie jetzt. Das ist Selwyn, und das da ist Siegfried.» Er klopfte beiden auf den Rücken. «Dort drüben in der Ecke hocken Rosenkranz und Güldenstern. Wie haben Sie William kennen gelernt?»
    «Ich war bei seinem Vortrag.»
    «Vortrag? Welchem Vortrag?»
    «Hat Mary Ihnen nichts erzählt?»
    «Meines Wissens nach nicht.» Charles hatte gelernt, im Zusammenhang mit seiner Schwester bei allen Dingen Vorsicht walten zu lassen.
    «Letzte Woche habe ich einen Vortrag über Shakespeare gehalten. De Quincey war so nett und hat ihn sich angehört. Am nächsten Tag hat er mir dann einen Besuch abgestattet.»
    «Und ihr habt euch schnell angefreundet?» Charles war erstaunt, dass Mary diesen Vortrag besucht hatte, ohne ihm davon zu erzählen. «Meine Herren, möchten Sie mir Gesellschaft leisten?» Er überließ Selwyn und Siegfried am Tresen ihrer

Weitere Kostenlose Bücher