Wie Feuer im Regen
beantwortete geduldig Fragen und ließ Fotos von sich machen. Zweifellos würden diese in der nächsten Ausgabe des Tatlers zu sehen sein.
Obwohl sein Lächeln professionell war, glaube Anne, dass er sich in dieser Situation nicht allzu wohl fühlte.
Schließlich hatte er genug von dem ganzen Rummel und die Journalisten wurden nach draußen eskortiert, damit man zum privaten Teil des Abends übergehen konnte.
Sofort drängte sich eine platinblonde, bulimisch aussehende Frau an Jamies Seite. Ihre unproportional riesigen Brüste schienen es ihrem ausgemergelten Körper schwer zu machen, das Gleichgewicht zu halten. Interessanterweise bildete der zweifellos von einer Bräunungsdusche stammende orangene Hautton einen solch krassen Kontrast zu ihrem weißen Kleid, dass sie wirkte, als wäre sie aus Gummi. Besitzergreifend legte sie eine Hand auf Jamies Arm, die andere auf seinen Rücken. In dieser Position war es ihr halbwegs möglich, ihm etwas ins Ohr zu flüstern, ohne dass ihr Busen sie wie zwei Bootsfender auf Distanz hielt.
Während sie mit ihm sprach, schweiften seine Augen gelangweilt durch den Raum, bis sie Annes Blick auffingen.
Es war ihr unmöglich, weg zu sehen und so starrten sie einander an, mit undeutbarem Gesichtsausdruck.
Anne war es nicht aufgefallen, dass Cheryl zu ihr getreten war. Diese hatte fast die selbe Pose eingenommen wie die Plastikfrau neben Jamie. Anscheinend machte man das so, ab Körbchengrösse Doppel-D.
Seine strahlend blauen Augen hielten sie weiter fest, während Cheryl flüsterte. "Oje, oje, oje - mir scheint, du hast dich für den falschen Mann entschieden, Schätzchen."
Mit einem Knall, der sogar Marc aus seiner Unterhaltung schreckte, stellte Anne ihr Glas auf dem Tresen ab.
"Entschuldigt mich. Ich gehe mich kurz frisch machen."
Sie schob Cheryl zur Seite und verließ den Ballsaal. Dank Jamies Führung durch ganz Thornhill Hall fiel es ihr nicht schwer, das Theater wieder zu finden.
Ein paar Augenblicke Einsamkeit, das war alles, was sie jetzt brauchte, um ihre Fassung wieder zu erlangen. Ein paar Minuten weg vom Haifischbecken, nur für sich.
Wieso war sie heute Abend nur hierher gekommen? Es war offensichtlich, dass James sie nicht treffen wollte. Immerhin hatte er all ihre Bemühungen ignoriert.
Und jetzt stand er da mit Porno-Barbie am Arm - das konnte doch nur ein schlechter Witz sein?
Gottlob war die kleine Seitentür nicht verschlossen und sie konnte unbemerkt ins Halbdunkel eintauchen.
Der Flügel stand noch immer auf der Bühne. Entschlossen klappte sie den Deckel hoch und begann zu spielen.
Nach wenigen Sekunden hüllte die Musik sie ein, wie eine tröstende Umarmung. Langsam entspannte sie sich. Was würde sie nur jemals anfangen, falls das nicht mehr funktionieren sollte? Das wäre unerträglich. Aber so etwas würde nie passieren. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen und sie genoss die Kühle der Elfenbeintasten unter ihren Fingern.
In den letzten Wochen hatten sich ihre Gefühle für Marc verändert, ganz langsam. Zuerst war ihr aufgefallen, wie oft sein Vater ihn anrief, egal zu welcher Tages- und Nachtzeit. Immer sprachen sie über Geschäftliches.
Und dann war da noch diese Eifersucht auf James. Wann immer Annes Handy klingelte, vermutete Marc, es wäre Jamie. Nach jedem Polotraining kam er verärgert nach Hause und stellte Fragen über ihn. Er glaubte ihr nicht, dass sie ihn seit Wochen nicht gesehen hatte. Obwohl er nie mit ihr über seine Gefühle für sie sprach, schien er von ihr zu erwarten, dass sie nur für ihn da war. Er arbeitete viele Stunden, hatte er aber Zeit, sollte sie alles stehen und liegen lassen und zu ihm kommen.
Vielleicht war es die starke sexuelle Anziehungskraft zwischen ihnen beiden, die ihnen eine realistische Sicht auf ihre Beziehung verwehrte.
Innerhalb weniger Wochen war Anne klar geworden, dass Marc nicht der perfekte Mann war, den sie versucht hatte, in ihm zu sehen. Er füllte ihr Herz nicht vollkommen aus- hatte er das jemals?
Viel zu schnell war das Stück zu Ende. Nachdem der letzte Ton verklungen war, senkte sich Stille über sie und ihr wurde wieder bewusst, was für ein Chaos sie in ihrem Herzen angerichtet hatte.
Von irgendwoher erklang Applaus.
Erschrocken fuhr sie herum. "Wer ist da?"
"Nun hast du doch noch für mich gespielt. Und sogar auf dem Steinway."
Sie vermutete, dass Jamie von seiner Loge aus mit ihr sprach, deshalb ging sie von der Bühne und die Treppe hinauf in Richtung Ausgang, um
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