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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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gleichen Zeit – und interpretiert diese richtig als Bewegung, aber es tut weh. Die Kanten »stottern« oder »ruckeln« über den Bildschirm – Wörter, in denen sich das von der Stakkato-Bewegung verursachte Unwohlsein widerspiegelt.
    Warum ruckeln live aufgenommene Filme nicht? (Man stelle sich vor, jemand würde Uma Thurman anweisen, innerhalb der Grenzen des »nicht zu weit, nicht zu schnell« zu bleiben.) Warum ruckeln Computer-Animationsfilme à la Pixar nicht? Und warum ruckeln Videospiele im Gegensatz dazu ganz entsetzlich? Alle bestehen aus Sequenzen von Einzelbildern. Es gibt eine allgemeine Erklärung, die für alle drei gilt. Sie heißt
Bewegungsunschärfe
und ist sehr hübsch und einfach.
    Eine echte Filmkamera tut Folgendes: Sie zeichnet als Einzelbild nicht einfach einen einzelnen Augenblick auf, der einem Bild von Road Runner oder Harryhausen entsprechen würde. Der Kameraverschluss ist vielmehr für einen kurzen Zeitraum geöffnet, die Belichtungszeit. In diesem kurzen Zeitraum bewegt sich ein bewegliches Objekt natürlich weiter, das heißt, es wird während der Belichtungszeit quer über das Bild ein wenig »verschmiert«. Den gleichen Effekt beobachtet man, wenn man mit langer Belichtungszeit ein Foto von einem Kind aufnehmen will, das einen Ball wirft: Dann ist der Arm völlig verschwommen. Was aber in einem Standfoto ein Fehler ist, erweist sich im Film als Segen. Ohne Bewegungsunschärfe würden alle Filme so ruckeln wie Harryhausens Skelette.
    Eine wissenschaftliche Erklärung kann zu einer technischen Lösung werden. Für Digitalfilme wie
Toy Story
wurde die Lösung, mit der man das Ruckeln vermied, von der Erklärung für Liveaufnahmen abgeleitet: Bewegten Objekten wurde auf ihrer Bewegungsbahn durch das Einzelbild eine Unschärfe hinzugefügt. Der schwingende Arm einer Gestalt muss also entlang des Kreisbogens unscharf sein, den der Arm rund um das Schultergelenk beschreibt. Der andere Arm muss unabhängig davon entlang seines eigenen Kreisbogens verschmiert werden, der häufig in der entgegengesetzten Richtung zum ersten Arm verläuft. Man musste nur herausfinden, wie man mit dem Computer das Gleiche macht wie mit der Kamera – und, ganz wichtig, wie man es effizient macht. In Liveaufnahmen stellt sich die Bewegungsunschärfe von selbst ein, in digitalen Filmen erfordert sie einen hohen Aufwand. Die Lösung stammte von der Gruppe, die heute Pixar heißt, und ebnete den Weg für den ersten Computeranimationsfilm. Die Bewegungsunschärfe war der entscheidende Durchbruch.
    Letztlich zeigt die Bewegungsunschärfe dem Gehirn, welchen Verlauf eine Bewegung nimmt und welchen Umfang sie hat – eine längere Unschärfe entspricht einer schnelleren Bewegung. Statt die zeitlichen Informationen über die Bewegung zwischen den Einzelbildern wegzuwerfen, speichern wir sie in Form der Unschärfe räumlich in den Bildern. Eine Folge solcher Bilder, die sich ein wenig überschneiden, zeichnet also wegen der Nachbildwirkung eine Bewegung auf so charakteristische Weise nach, dass das Gehirn daraus die vollständigen Rückschlüsse ziehen kann.
    Bei Pixar werden für einen Film Tausende von Computern eingesetzt, und manchmal dauert die Arbeit an einem einzigen Einzelbild mehr als 30  Stunden. Ein Videospiel dagegen – das eigentlich ein auf Echtzeit beschränkter Digitalfilm ist –, muss jede Dreißigstelsekunde ein neues Einzelbild liefern. Erst 17  Jahre ist es her, seit die unaufhaltsame Zunahme der Computerleistung je aufgewendetem Dollar (die vom Moore-Gesetz beschrieben wird) Digitalfilme mit Bewegungsunschärfe möglich machte. Entsprechende Videospiele gibt es bisher einfach noch nicht. Sie können nicht so schnell rechnen, dass die Bewegungsunschärfe entsteht. Manche Spiele unternehmen schwache Versuche, aber dabei lässt das Spielgefühl so drastisch nach, dass die Spieler abschalten und stattdessen lieber das Ruckeln in Kauf nehmen. Aber das Moore-Gesetz gilt weiterhin, und schon bald – in fünf Jahren? in zehn? – werden auch Videospiele die richtige Bewegungsunschärfe zeigen und damit endgültig in der modernen Welt angekommen sein.
    Das Beste dabei: Die Bewegungsunschärfe ist nur ein Beispiel für eine sehr leistungsfähige allgemeine Erklärung, die als
Abtasttheorem
bezeichnet wird. Es wird wirksam, wenn es sich bei den Stichproben um Einzelbilder handelt, die in regelmäßigen Zeitabständen aufgenommen werden und einen Film bilden, oder wenn es Pixel sind, die in

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