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Wie funktioniert die Welt?

Wie funktioniert die Welt?

Titel: Wie funktioniert die Welt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brockman , Herausgegeben von John Brockman
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langweilig.
    Dieses einfache Konzept kennen wir mittlerweile seit fast einem halben Jahrhundert. Erst vor sehr kurzer Zeit jedoch ist klargeworden, dass sich mit der Evolution der Hilfe nicht nur der Übergang zur Gesellschaftsbildung bei Insekten erklären lässt (für den Hamilton die Theorie ursprünglich entwickelte), sondern auch die Evolution der wichtigen Übergänge zur biologischen Komplexität im Allgemeinen. Neben anderen formulierte Andrew Bourke in seinem kürzlich erschienenen Buch
Principles of Social Evolution
eine aufschlussreiche Synthese dieses einheitlichen Rahmens für den Ursprung der biologischen Komplexität. Seine befriedigend einfache Erklärung lässt die Komplexitäten der Welt weniger rätselhaft, aber nicht weniger wunderbar erscheinen.
    Würden Erwachsene öfter Kinderspiele spielen, würden wir vielleicht häufiger über weitere einfache Erklärungen für die Vielschichtigkeit des Lebens stolpern.

Helena Cronin
Am Anfang ist die Theorie
    Codirektorin des Centre for Philosophy of Natural and Social Science der London School of Economics; Autorin von The Ant and the Peacock: Altruism and Sexual Selection from Darwin to Today
    Belauschen wir einmal ein Gespräch zwischen Charles Darwin und Karl Popper. Darwin ist empört über die grobe Wissenschaftsphilosophie, mit der seine Kritiker hausieren gehen, und ruft: »Es ist doch seltsam – wie kann irgendjemand nicht erkennen, dass alle Beobachtungen für oder gegen eine Ansicht sprechen müssen, wenn sie irgendeinen Nutzen haben sollen!« [20] Und als das Gespräch auf die Evolution kommt, beobachtet Popper, alles Leben sei Problemlösung, und dann stellt er fest: »Von der Amöbe bis Einstein ist der Erkenntnisfortschritt immer derselbe.« [21]
    Ihre Gedankengänge fließen zusammen. Auf unterschiedlichen Wegen sind sie zu der gleichen Erkenntnis gelangt. Sie hat mit der Vorrangstellung und der grundlegenden Bedeutung von Theorien – von Ideen, Hypothesen, Sichtweisen, Ansichten, Neigungen und Ähnlichem – für den Erwerb und das Wachstum von Wissen zu tun. Darwin hatte recht, wenn er betonte, dass eine solche Vorrangstellung notwendig ist, »wenn sie [die Beobachtungen] irgendeinen Nutzen haben sollen«. Aber die Bedeutung einer »Ansicht« reicht noch viel weiter. Wie Darwin genau wusste, ist es ohne irgendeine Sichtweise unmöglich, überhaupt zu beobachten. Wer nicht überzeugt ist, kann es mit einem Nachweis versuchen, den Popper in seinen Vorträgen gern verwendete. »Beobachten Sie!« Haben Sie es geschafft? Nein. Weil Sie natürlich wissen müssen: »
Was
soll ich denn beobachten?« Jede Beobachtung erfolgt im Licht irgendeiner Theorie; jede Beobachtung muss im Licht irgendeiner Theorie erfolgen. Alle Beobachtungen sind also theoriebeladen – nicht nur manchmal, nicht nur zufällig, sondern immer und zwangsläufig.
    Damit sollen Beobachtungen, Daten, Fakten nicht herabgewürdigt werden. Im Gegenteil: Sie erhalten so erst ihren angemessenen Wert. Nur im Licht einer Theorie kann ein Problem, das Streben nach einer Lösung uns auf aufschlussreiche Weise ansprechen.
    Es ist also eine ungeheuer einfache Erkenntnis, die aber weiterreichende Bedeutung und große Wirksamkeit hat. Daher kommen ihre Eleganz und Schönheit.
    Ich möchte zwei Beispiele nennen – zuerst eines aus Darwins Bereich, dann eines aus dem von Popper.
    Betrachten wir einmal die langweilige, aber hartnäckige Diskussion um »Gene oder Umwelt«. Ich nenne einen gut untersuchten Fall. Indigofinken wandern jedes Jahr über große Entfernungen. Um das Problem der Orientierung zu lösen, hat die natürliche Selektion sie mit der Fähigkeit ausgestattet, einen geistigen Kompass zu konstruieren; dazu studieren sie schon in den ersten Lebensmonaten nach Art von Pfadfindern die Sterne am Nachthimmel. Das Ergebnis dieser spektakulären Anpassung ist eine reiche Quelle von Informationen, die von der natürlichen Selektion in evolutionären Zeiträumen in die Gene der Vögel eingebaut wurde – insbesondere Informationen über die Drehbewegung der Sternbilder. Deshalb können Finken, die heute wandern, sich zur Gestaltung ihres Präzisionsinstruments der gleichen Instinkte und Umweltregelmäßigkeiten bedienen wie ihre längst verstorbenen Vorfahren.
    So funktionieren alle Anpassungen. Sie liefern dem Organismus angeborene Informationen über die Welt und machen ihm Ressourcen zugänglich, mit denen er seine eigenen Anpassungsbedürfnisse befriedigen kann; damit schafft

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