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Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Titel: Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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Nationalen Volksarmee eingeführt werden. Die Notwendigkeit der Inkraftsetzung und Ausgabe gesonderter Geldzeichen ergibt sich daraus, daß
    1. die Stabilität der Währung der Deutschen Demokratischen Republik zu gewährleisten ist, der Charakter unserer Währung als Binnenwährung auch unter Kriegsbedingungen aufrechterhalten bleibt, die Kontrolle des sozialistischen Staates über das Geldvolumen gesichert wird und der Geldumlauf vor schädlichen Einflüssen von außen her abzuschirmen ist
    2. die Führungsorgane und Truppen der Nationalen Volksarmee mit Finanzmitteln auszustatten sind, damit sie durch Weiterbestehen der Ware-Geld-Beziehungen auf gegnerischem Territorium erforderliche Lieferungen und Leistungen bestreiten können. Militärgeld wird als Zweitwährung auf gegnerischem Territorium den dort gültigen Zahlungsmitteln gleichgestellt und hat nur Gültigkeit auf diesem Territorium... Die Zuführung erfolgt über das... Feldbanksystem der Nationalen Volksarmee.«
    Laut Blatt 21 dieser ebenfalls mit »Geheim« gestempelten Verschlusssache A 478 109 hat der Ökonom am Ende seines Lageberichts militärisch knapp Vollzug gemeldet: »Genosse Vorsitzender! Ausführungen beendet.«
    Zwischen den absurden Plänen, eines Tages die Wiedervereinigung auf ihre Art zu erzwingen, und dem denkwürdigen Ende ihrer Herrschaft vergingen neun Jahre. Dass die den Staat dominierende und alle Bereiche kontrollierende Partei stets im Besitz der Wahrheit war, recht hatte, wie sie alle es bei den Aufmärschen am 1. Mai gemeinsam singen mussten, glaubte 1989 sogar die Mehrheit ihrer Mitglieder nicht mehr. Ohne die Verbitterung der einst als linientreu geltenden Kader, sowohl bei der Volkspolizei, bei der Nationalen Volksarmee, bei den Funktionären auf Bezirksebene als auch in den Stasi-Hauptquartieren, hätte es nicht gelingen können mit der Revolution. Nur die Uneinsichtigen im Politbüro hatten, fern der Realität, nicht begriffen, was die Stunde geschlagen hatte und dass dies auch ihre letzte Stunde sein würde.
    Selbst ernannte Reformer wie Egon Krenz träumten noch von einer Wende, um die Macht der Partei zu erhalten, aber kaum war ihnen das Wort »Wende« aus dem offenen Mund geflogen, war es wieder Makulatur. Es gab nichts mehr zu wenden, es gab nichts mehr abzuwenden, es gab nur etwas abzuwickeln.Wolfgang Berghofer hielt den Genossen Egon in seiner Funktion als Politbüromitglied immer für eine Nullnummer, was er ihm bei einer Auseinandersetzung über die längst sichtbaren Ruinen der Planwirtschaft bereits ein Jahr vor der Revolution während der Leipziger Messe sagte. Als Krenz nämlich mit den üblichen Sprüchen des Funktionärs kam, man müsse eben die politische Kaderarbeit verstärken, dann würden sich die wirtschaftlichen Probleme überwinden lassen, fuhr Berghofer den ehemaligen FDJ-Kameraden wütend an: »Du Arschloch, du hast wirklich keine Ahnung.« Der hätte zwar 1988 noch die Macht gehabt, ihn als Oberbürgermeister abzu- und irgendwo als Betriebsleiter in der Provinz einzusetzen, denn er stand in der Hierarchie über Berghofer, aber er traute sich nicht mehr.
    Weder der allgegenwärtige Geheimdienst, oft gepriesenes Schild und Schwert der Partei, noch das Militär besaßen ein solches Gewicht, wie es die SED hatte. Die SED war die alles beherrschende
Kraft. Die rund einhunderttausend hauptamtlichen Mitarbeiter der Sozialistischen Einheitspartei, die wie keine andere Partei eine deutsche Einheit fürchten musste, waren die Pfeiler, auf denen das System ruhte. Zwei Millionen Parteimitglieder liefen mehr oder weniger begeistert hinter den Parolen her. Parallel zu den administrativen Strukturen existierte die SED als ein Staat im Staat, in dem alle in der Nationalen Front zusammengeschlossenen Parteien – CDU und LDPD und NDPD und DBD – nichts zu melden hatten. Die dienten nur als Feigenblatt in der Volkskammer. Entscheidend war das, was die SED wollte. Auch die gefürchteten grauen alten und jungen Männer, die Stasi-Mitarbeiter des Erich Mielke, durften nur dann Angst und Schrecken verbreiten, wenn zuvor die allein selig machende Partei zugestimmt hatte.
    Erst als Eltern gegen den Staat auf die Straße gingen, der ihre Töchter und Söhne eingesperrt, verprügelt oder außer Landes getrieben hatte, erst dann, als die es im Herbst wagten, der Staatsmacht die Stirn zu bieten, statt vor ihr das Haupt zu senken in Erwartung kommender Schläge, erst dann war es vorbei mit der Macht der SED. Denn die meisten

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