... Wie Gespenster in der Nacht
um ihre Waden. Er beobachtete, wie sie jedes Detail in sich aufnahm. Die breiten Holzbohlen auf dem Boden, die im Feuerschein golden schimmerten, den Kamin, den er selbst gebaut hatte, mit Steinen, die er vom Bein Domhain hierhergetragen hatte, dem Berg, auf dem Maras Cottage lag.
Es war völlig natürlich, dass er ihr davon erzählte. „Den Kamin habe ich vor zwei Jahren gebaut. Als ich noch klein war, gab es hier nur eine winzige Feuerstelle, die nicht viel Hitze abgab.“
„Es ist wunderschön.“ Das Bündel noch immer mit einer Hand an sich gedrückt, strich sie sacht mit den Fingerspitzen der anderen über den Simsrand. Das Sims war aus massivem Kirschholz gefertigt, fein abgeschliffen und während des letzten langen Winters mit sechs Lagen Ölwachs imprägniert. „Du hast viel Liebe hier reingesteckt.“
Liebe? Dessen war Andrew sich keineswegs sicher. Er dachte an all die Stunden zurück, die er hier verbracht hatte. Einsame Stunden, in denen seine schlimmsten Ängste unsichtbar für andere über diesem Monument seiner Kindheit am Seeufer geschwebt hatten. Er hatte sich Zeit für die Veränderungen gelassen, war überlegt und behutsam vorgegangen. Hatte einen neuen Kamin gebaut, um den alten zu ersetzen – der alte Kamin, der in seiner Kindheit oft genug kalt geblieben war wie die kälteste Winternacht. Er hatte den Holzboden abgeschliffen und versiegelt – der Holzboden, auf dem sein Vater oft geschlafen hatte, weil er zu betrunken war, um den Weg ins Bett noch zu schaffen. Andrew hatte Wände gestrichen und neue Möbel gekauft, hatte Regale gebaut und Trennwände gezogen, um das Cottage zu verändern.
Dabei hätte er nur sich selbst ändern müssen.
„Du lächelst.“ Fiona lächelte auch. „Habe ich etwas Komisches gesagt?“
Er schüttelte den Kopf. „Die komischsten Geschichten sind oft die, für die man am längsten braucht.“
Fragend legte sie den Kopf schief.
„Es freut mich, dass dir mein Cottage gefällt. Mir gefällt es auch. Jetzt gibt es hier nur noch gute Erinnerungen.“
Sie kam mit den für sie so typischen Bewegungen näher. Schritt für Schritt, mit unmerklichen kleinen Pausen, die jede ihrer Bewegungen betonten, so als wäre sie sich nicht sicher, ob sie überhaupt das Recht hatte, sich zu bewegen. „Ich habe etwas mitgebracht, das ich dir zeigen möchte“, sagte sie, als sie ihm so nahe war, dass er die feinen Nuancen in ihren whiskyfarbenen Augen lesen konnte.
Er fragte sich unwillkürlich, ob whiskyfarbene Augen ebenfalls ein Rauschmittel waren, dem er abschwören musste. Sie hielt ihr Bündel jetzt vor sich. Er verfolgte mit, wie sie es aus der Plastikhülle nahm und dann aus dem braunen Packpapier wickelte. Sie hatte sorgfältig darauf geachtet, dem Regen keine Chance zu geben.
„Hier, nimm sie“, sagte sie.
Er nahm von ihr an, was wie ein Stapel alter Briefe aussah. „Hast du was dagegen, wenn ich mich setze?“
„Nein, natürlich nicht.“
Er ging zum Sofa und machte es sich bequem. Fiona ließ sich am entgegengesetzten Ende nieder, aufrecht und nur am Rand, jederzeit bereit zur Flucht.
Andrew schaltete die Leselampe ein.
Er hatte den ersten Brief zur Hälfte gelesen, bevor er anfing zu begreifen. Er sah auf. Fionas Blick ruhte auf ihm, aber er wusste ihre Miene nicht zu deuten. „Lies erst alle durch, bevor du irgendetwas sagst“, bat sie ihn.
Also las er weiter. Leicht war es nicht. Als er in der Mitte des Stapels angelangt war, begannen seine Augen zu verschwimmen. Er fühlte, wie Fiona sich weiter aufsetzte und gespannt darauf wartete, dass er alle Briefe zu Ende las. Obwohl längst keine Notwendigkeit mehr bestand, sie alle zu lesen.
„Er hat mich geliebt“, sagte sie, als er zu Ende gelesen hatte.
Die schlichte Feststellung fasste alles zusammen. Mehr als zwanzig Jahre Qual und Schuld. Das Geständnis eines Vaters an seine Tochter, der er nie mehr hatte gegenübertreten können. Die traurige Flucht eines Mannes in die Trostlosigkeit, eines Mannes, der einst von Liebe und Leben erfüllt gewesen war.
„Er gab sich die Schuld an dem Brand“, sagte Fiona leise. Er hörte die Tränen in ihrer Stimme und sah die Tränen in ihren Augen. Andrew erkannte sie durch seine eigenen.
Er räusperte sich. „Er war es also, der das Heizgerät in den Schrank stellte.“
„Ja. Offensichtlich hatte er bemerkt, dass das Kabel defekt war, und wollte es später zur Reparatur bringen. Ich erinnere mich daran, dass Duncan immer gesagt hat, dass unser Vater
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